Hinter Gittern radikalisiert: 20-Jähriger wollte für den IS kämpfen
Von Stefan Jedlicka
Seit seinem 14. Lebensjahr sitzt der 20-jährige Österreicher mit Migrationshintergrund im Gefängnis. Auf fünf Vorstrafen wegen Gewaltdelikten hat er es bereits gebracht. Am Mittwoch kam eine weitere Verurteilung hinzu: diesmal stand der Mann wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation und wegen des Verbrechens der "terroristischen Vereinigung" vor Gericht.
Kriegsszenen und Hinrichtungen
In der Justizanstalt Hirtenberg habe er Mithäftlinge bedrängt, die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu unterstützen und ihnen dazu zahlreiche Propagandafilme gezeigt. Auf diesen "Hunderten Videos", die auf einem Datenträger sichergestellt wurden, seien "verstörende Bilder von Kriegsszenen und grausamen Hinrichtungen des Islamischen Staates" zu sehen, berichtete der Staatsanwalt.
Auch Drohungen habe es gegeben, um die Ernsthaftigkeit seiner Anwerbungsversuche zu untermauern. Dem Treiben ein Ende bereitet hat schließlich ein verdeckter Ermittler der Kriminalpolizei. Dieser fragte den 20-Jährigen, ob er bereit sei, für den IS in den Krieg zu ziehen, was er bejahte. Der Versuch, die Speicherkarte mit den Propagandavideos durch Verschlucken verschwinden zu lassen, misslang.
Serbische Drogenmafia im Gefängnis
Am Mittwoch bekannte sich der Mann "zu allen wesentlichen Anklagepunkten umfassend geständig", wie es sein Verteidiger formulierte. Der 20-Jährige sei hinter Gittern radikalisiert worden. "Das soll keine Rechtfertigung für seine Taten sein: aber man muss bedenken, dass er ein Leben außerhalb des Gefängnisses praktisch gar nicht kennt."
Nach einem Selbstmordversuch im Jugendstrafvollzug sei er zunächst "in eine Zelle mit den schrecklichsten Leuten" gebracht worden, erzählte der Angeklagte selbst: "Die haben draußen für die serbische Drogenmafia gedealt. Durch sie habe ich mit Kokain und Haschisch angefangen." Vom Suchtgift losgekommen sei er schließlich, als er sich bei der Arbeit in der Justizanstalt Hirtenberg mit einem anderen Mithäftling angefreundet habe.
"Immer ein Außenseiter"
"Da wurde zum ersten Mal in seinem Leben auf Augenhöhe mit ihm gesprochen", sagte sein Verteidiger. "Er hat endlich Anschluss gefunden, was er sich schon lange gewünscht hatte." So kam er allerdings auch mit dem Gedankengut des Islamischen Staates in Berührung. Diesem habe er mittlerweile aber abgeschworen, beteuert der 20-Jährige. Er wolle nun eine Ausbildung absolvieren, um nach seiner Zeit im Gefängnis einer ehrlichen Arbeit nachgehen zu können.
Dass die Bemühungen um ein rechtschaffenes Leben durchaus ernst gemeint seien, bestätigte die Bewährungshelferin des Mannes am Mittwoch vor Gericht. Auch ein Vertreter des Vereins "Derad", der sich um Deradikalisierung religiöser Fanatiker bemüht, attestierte dem 20-Jährigen einen Sinneswandel.
Fünf Jahre Haft
Er selbst sagte: "Bis ich 14 war, war ich vor allem auf der Straße unterwegs. Mein Vater war Alkoholiker, mein Bruder drogensüchtig, meine Mutter krebskrank. Ich habe mich immer als Außenseiter gefühlt und deshalb leider mehrere Gewaltdelikte begangen. Aber ich habe schon in der Haft eine Anti-Gewalttherapie begonnen und das hilft mir. Ich möchte noch öfter mit meinem Therapeuten sprechen."
Der Schöffensenat anerkennt diese Bemühungen offensichtlich. Bei einer möglichen Höchststrafe von 15 Jahren verurteilt man den 20-Jährigen zu weiteren fünf Jahren Haft - nicht rechtskräftig.