Puchberg am Schneeberg: Wo Ritter und Burgfräulein leb(t)en
Von Caroline Ferstl
Nur wenige kennen das Geheimnis der Burgruine Puchberg. Das große, hölzerne Eingangstor ist in Wirklichkeit ein Zeitportal zurück ins Mittelalter – zumindest dann, wenn der Burgverein Puchberg, auch genannt „Historia vivens 1300“, eines seiner legendären Mittelalterfeste feiert. Denn da gibt es keinen Kitsch und keine Fälschungen, stattdessen richtiges Mittelalter-Feeling.
Das Brot wird im rekonstruierten Backofen gebacken, im Kessel über dem Feuer köchelt ein Eintopf aus Karotten, Rüben, Bohnen und Erbsen. Erdäpfel, Tomaten und Zucchini kannte man im Mittelalter in Europa noch nicht, Fleisch und Fisch kamen nur beim Adel auf den Teller. Die Kinder dürfen dem Schmied über die Schulter schauen oder ihr Glück bei den Ritterspielen versuchen. Auch bei der Kleidung wird auf Authentizität geachtet, die meisten nähen ihr Gewand selber aus Leinen, Seide und Wolle. Die Schuhe sind aus Leder, auch Gürtelschnalle, Armbrust und Haarband wurden rekonstruiert.
„Wichtig ist uns dabei, dass die hergestellten Stücke in Form, Materialbeschaffenheit und Aussehen weitgehend den Originalen entsprechen. Dementsprechend besitzen beispielsweise unsere Armbrüste echte Hornkompositbögen, die Keramik ist oxidierend oder reduzierend niedrig gebrannt und die Kleider bestehen durchwegs aus handgewebten Leinen und naturgefärbten Wollstoffen“, erklärt der Obmann des Vereins, Andreas Bichler.
Ritter aus Leidenschaft
Die Burg Puchberg im Bezirk Neunkirchen wurde um das Jahr 1200 erbaut. Seit 1549 gehörte sie dem ursprünglich spanischen Adelsgeschlecht Hoyos, heute ist sie im Privatbesitz der Familie Thun-Hohenstein. In den 1950er Jahren pachtete die Gemeinde die Burg für einen Zeitraum von genau 99 Jahren, seit 2001 ist der Burgverein Puchberg Subpächter des Gemäuers.
Vier Gründungsmitglieder waren es am Anfang, heute zählt der Verein knapp 100. „Wir sind eine kleine Gruppe von Leuten, die sich in ihrer Freizeit mit dem Mittelalter beschäftigt. Unser Motto ist sogenannte ,Living History‘ – also erlebbare Geschichte“, erklärt Bichler. Der 53-jährige Polizist ist gebürtiger Puchberger. Sein Schulweg führte täglich an der Burg vorbei, als Jugendlicher kletterte er bei Nacht und Nebel verbotenerweise auf die Gemäuer. „Das hat wohl jeder Junge im Dorf mal gemacht“, schmunzelt er heute. Bichlers Leidenschaft fürs Mittelalter war also früh entdeckt. Er war auch derjenige, der den Verein ins Leben gerufen und die Burgruine aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt hat.
100.000 Euro wurden in den ersten Jahren in den Erhalt der Ruine gesteckt, abgesehen von unzähligen Urlaubsstunden und freiwilligen Handgriffen. Die Anlage wurde vermessen, dokumentiert und saniert. Heute kann die Burg gegen Voranmeldung besichtigt werden, Schulklassen können hier das Mittelalter hautnah erleben.
Grabungen
Im kommenden Jahr steht der Hof archäologischen Grabungen zur Verfügung – „da versteckt sich noch so Einiges unter der Erde“, vermutet Bichler. Deswegen findet das nächste große Mittelalterfest erst im August 2021 statt, rechtzeitig zum 20-jährigen Bestehen des Burgvereins Puchberg. Interessierte können jedoch beim alljährlichen „Besinnlichen Advent in der Burg“ dem Mittelalter einen Besuch abstatten und eintauchen in die Vergangenheit.