Ein Krimi mit Arsen und Strickweste
Graue Strickweste, schwarzes Haarband, pure Bescheidenheit. Und wenn sie spricht: die Aufopferung in Person. Dass der erste von ihr (laut Anklage zu Tode) gepflegte Mann, Herbert Ableidinger, ihr auf dem Sterbebett seine Eigentumswohnung überschrieben hat, das war „eine Überraschung für mich. Ich hätte den Notar fast nicht hinein gelassen.“
Aber ihre Geschichten halten nie lang. Schon bald nach Prozessbeginn um den Arsenkrimi in Krems ist die Glaubwürdigkeit der des Doppelmordes angeklagten Polin Bogumila Wojtas erschüttert. Allein für das Kennenlernen des 68-jährigen Herbert Ableidinger gibt es mindestens drei Versionen. Der Wiener hatte mittels Zeitungsanzeige eine Partnerin gesucht, als seine Frau gestorben war. Vor der Polizei sagte die Angeklagte aber aus, sie habe mit Ableidingers Frau in einem Spital in Polen 20 Jahre als Krankenschwester zusammengearbeitet und diese dann gepflegt, als sie Krebs bekam.
Am Montag tischt sie den Geschworenen (überwiegend Frauen) auf, sie habe Ableidinger vor einer polnischen Kirche in Wien getroffen. Er habe ihr erzählt, dass er jemanden brauche, der ihm hilft, mit dem Alkohol Schluss zu machen.
Richterin Susanne Daniel ungläubig: „Sie treffen jemanden ganz zufällig, und der gesteht Ihnen gleich sein Alkoholproblem?“
Angelacht
Bogumila Wojtas ist keine Krankenschwester, sie hat nie in einem Spital gearbeitet (aber ein gefälschtes Diplom), und sie ist keine Witwe. Als solche soll sie sich ausgegeben haben, nachdem sie sich die „allein stehenden, gut situierten Herren angelacht hatte“ (Staatsanwältin Susanne Waidecker).
Wojtas ist seit 30 Jahren verheiratet und lebte mit der Familie in Tuchów in Polen. Es gab dort früher Bergbau. Das ist für die Frage interessant, woher die 52-Jährige das Arsen haben könnte, mit dem sie Ableidinger und dessen Nachfolger Alois F. vergiftet haben soll. Man kann Arsen aus Steinen gewinnen. Aber die Richterin hat über Tuchów noch etwas herausgefunden: Es wurde dort bis ins 20. Jahrhundert hinein reines Arsen gewonnen, wie es Zahnärzte früher für Wurzelbehandlungen verwendet haben. Wojtas sagt, sie wisse davon nichts. Und ihr Verteidiger Timo Gerersdorfer meint, auch andere Leuten hatten Zugang zu den beiden Männern und hätten ihnen das geschmack- sowie geruchslose Arsen ins Essen mischen können.
Was war Bogumila Wojtas für die Männer? Putzfrau, Pflegerin und eben Köchin, sagt sie. Sex? Niemals. Aber beide schwärmten laut Zeugen vom Sex mit ihr. Und Ableidinger lies sich von der Hausärztin Potenzmittel verschreiben. Wozu? „Er war drei Nächte nicht zu Hause“, sagt sie: „Er war mein Chef, er hat gemacht, was ihm gepasst hat.“
Aufdeckerin
Und was hatte sie davon? Unterkunft und Essen. Freilich: Ableidingers Wohnung verkaufte sie schon, als er im Sterben lag. Wo ist der Erlös von 65.000 Euro? Sie habe damit Schulden bezahlt, und die Hälfte habe sie Ableidingers Tochter geben wollen, aber die habe das Telefon aufgelegt. Die Angesprochene, Karin Ojukwu, sitzt im (überwiegend aus älteren Herren bestehenden) Publikum und fällt aus allen Wolken. In einer Pause sagt sie zum KURIER: „Keine Rede davon! Woher hätte Sie auch meine Nummer haben sollen?“
Die 40-Jährige war es, die den Giftkrimi aufdeckte, als sie die Krankengeschichte ihres Vaters gelesen hatte. Der angeblich von Wojtas so fürsorglich Gepflegte war vor seinem Tod völlig verwahrlost, wie übrigens auch der 61-jährige Niederösterreicher Alois F. Fortsetzung am Mittwoch.
„Beim Einkaufen hat er mich mit der Uhr kontrolliert, ob ich eh nicht zu lange weg bleibe.“
Bogumila Wojtas, Angeklagte über ihren ersten Pflegling Herbert Ableidinger
„Er nannte mich Nina. Ich habe ihn immer Ableidinger genannt.“
dieselbe
„Anfangs war wahrscheinlich gar nicht geplant, die Männer umzubringen. Nach der Devise: Schau ma mal, ob sie Geld haben. Dann hat es ihr zu lange gedauert.“
Susanne Waidecker, Staatsanwältin
„Sie sollen Herrn Ableidinger vorgetäuscht haben, von ihm schwanger zu sein, damit er ihnen Geld für die Abtreibung gibt.“
Susanne Daniel, Richterin
„Ein Witz.“
Bogumila Wojtas, die Antwort der Angeklagten
„Arsen-Vergiftungen sind in Österreich ja nicht an der Tagesordnung, deshalb ist es nachvollziehbar, dass zunächst kein Verdacht geschöpft wurde.“
Susanne Waidecker, Staatsanwältin
„Es lagen mehrere Testamente offen herum. Er hat gesagt, dass ich 90 Prozent von seinem Vermögen bekomme und zehn Prozent seine Schwester.“
Bogumila Wojtas, Angeklagte über ihren zweiten Pflegling Alois F.
Herbst 2006
Bogumila Wojtas arbeitet erstmals in Österreich als Heimhilfe, betreut zwei Frauen, es gibt keine Hinweise auf Vergiftungen.
November 2009Herbert Ableidinger lernt die Polin kennen. Sie zieht bei ihm ein, er überschreibt ihr sein Vermögen, am 25. Oktober 2010 stirbt er.
November 2010
Bogumila Wojtas „macht sich an Alois F. heran“ (Staatsanwältin), zieht bei ihm ein. Er plant, ihr sein Haus zu überschreiben, dazu kommt es nicht mehr, am 14. Februar 2011 stirbt er.
19. Februar 2011
Erster Verdacht: die Leiche von F. wird obduziert, durch die vor seinem Tod im Spital durchgeführte Blutwäsche ist aber (noch) kein Gift nachweisbar.
27. März 2012
Bogumila Wojtas wird verhaftet, die Leichen der beiden Männer werden exhumiert, man findet hohe Arsenkonzentrationen.
28. Dezember 2012
Bogumila Wojtas wird wegen zweifachen Mordes angeklagt.