Die Frau, die den Giftkrimi aufdeckte

Karin Ojukwu, Vater vergiftet
Am Montag beginnt der Mordprozess gegen die Pflegerin, die zwei Männer vergiftet haben soll.

Die letzte Kindheitserinnerung, die Karin Ojukwu an ihren Vater hat, ist eine Autofahrt. Die Eltern waren geschieden, der Vater brachte die achtjährige Tochter nach einem Besuchstag vom Heurigenort Sooß bei Baden zurück zur Mutter. „Es war finster, und er war ang’soffen“, sagt die heute 40-Jährige. Ab dem Zeitpunkt wollte sie von ihm nichts mehr wissen.

Zehn Jahre später gab es noch einen Versuch. Aber der Vater schimpfte dauernd über die Mutter, und die Tochter brach den Kontakt endgültig ab.

Herbert Ableidingers Bruder hatte seinetwegen eine Waffe, und erst als der 68-Jährige tot war, gab er sie ab. Herbert Ableidinger dürfte also kein sympathischer Mensch gewesen sein. „Aber deswegen hätte mein Vater nicht so sterben müssen“, sagt Karin Ojukwu im KURIER-Interview: „Er war allein, hat jemanden gesucht, der für ihn da ist, und dann so etwas ...“

Der ehemalige Konditor wurde langsam und systematisch mit Arsen im Essen vergiftet. Er nahm binnen weniger Wochen 20 kg ab, von seinen Füßen löste sich die Haut, er konnte nicht mehr allein gehen. Bei der letzten von mehreren Einlieferungen ins Spital war er verwahrlost, ausgetrocknet, lallte nur noch, hatte Löcher im Rücken, seine Körpertemperatur betrug nur noch 33 Grad.

Dabei war Ableidinger von der 52-jährigen Polin Bogumila Wojtas aufopfernd gepflegt worden, so behautet diese zumindest. Man hatte sich über eine Kontaktanzeige kennengelernt, wollte angeblich heiraten. Zeugen sagen, für 11. Mai 2011 sei schon das Aufgebot bestellt gewesen, man habe bereits die Halle für die Feier in Gumpoldskirchen besichtigt.

Stattdessen suchte sich Ableidinger dann am Friedhof in Gumpoldskirchen seine Grabstelle aus. Bevor er Ende 2010 starb, überschrieb er seiner „Janina“ noch die Eigentumswohnung in Wien, ein Mobilheim, seinen Mercedes, angeblich alles ganz freiwillig; und während er mit dem Tod kämpfte, plünderte Wojtas sein Konto.

Typische Symptome

Karin Ojukwu hat sich die Pflegerin ihres Vaters von anderen beschreiben lassen: „Sie war so eine, die am Sonntag in die Kirche geht und von Montag bis Samstag ganz was anderes macht.“ Ojukwu ist es zu verdanken, dass der mysteriöse Todesfall – und noch ein zweiter – aufgedeckt und als Giftkrimi entlarvt wurde. Sie ist Krankenpflegerin im AKH, und als sie die Krankengeschichte ihres Vaters las, war ihr alles klar. In der Anklageschrift wegen zweifachen Mordes, zu der sich Bogumila Wojtas ab Montag im Landesgericht Krems verantworten muss, ist von einer „mehrfach tödlichen Arsenkonzentration“ und von „typischen Symptomen einer akuten Arsenvergiftung“ die Rede. Hätte man das im Spital erkannt, „hätte man den Tod des Mannes abwenden können.“

Aber Bogumila Wojtas gab stets die fürsorgliche Betreuerin, die Ableidinger noch ihr gutes (mit Arsen vermischtes?) Essen ins Krankenhaus nachtrug und damit jeglichen Verdacht zerstreute.

Ableidinger und sein Nachfolger Alois F. – den Bogumila Wojtas als Nächsten gepflegt, bekocht und laut Anklage ebenfalls mit Arsen vergiftet hat – kamen zuerst unter die Erde, bevor sich die Justiz schön langsam für die näheren Umstände interessierte.

Exhumierungen

Angetrieben von Karin Ojukwu, Peter Resetarits vom ORF und dem KURIER. Die Leichen wurden exhumiert, Gerichtsmediziner Christian Reiter fand in Nägeln und Haaren der Toten Arsen, Wojtas kam in U-Haft. Und die Staatsanwältin sagte zu Karin Ojukwu: „Also ich hätte mir nicht gedacht, dass so was dabei rauskommt.“ Die 40-Jährige fragt sich: „Wieso hat die ihre Arbeit nicht gemacht?“ Und: „Wieso muss ich einen Anwalt zahlen, damit das aufgedeckt wird.“ 4700 Euro hat sie bis jetzt für ihre Rechtsvertretung als Privatbeteiligte gezahlt, vom inzwischen verschleuderten Erbe ihres Vaters bekommt sie wahrscheinlich nichts, aber ums Geld geht es Karin Ojukwu ohnehin nicht.

„Männer um die 60 aus der Nachbarschaft kommen auf mich zu, lächeln mich an, und ich weiß, warum.“

Es sind wahrscheinlich alleinstehende Männer, der eine oder andere hätte sich vielleicht auch gern bekochen lassen und weiß jetzt dank Ojukwu, was ihm möglicherweise erspart geblieben ist.

Von Geständnis keine Spur, es wird ein Indizienprozess, am dritten Verhandlungstag (Donnerstag) marschieren vier Sachverständige auf.

Timo Gerersdorfer, der Verteidiger von Bogumila Wojtas, sagt: „Laut Gutachter war es reines Arsen. Woher hätte sie das Arsen nehmen sollen? Sie kennt niemanden aus dem Umfeld einer Apotheke oder eines Bergwerkes. Man braucht ja Wissen dazu, um es sich zu beschaffen.“

Zwar hat Bogumila Wojtas eine Ausbildung als Pflegerin gehabt, „aber dort lernt man ja nicht, wie man jemanden vergiftet“ (Gerersdorfer). Die Toxikologie sei kein Bestandteil dieser Ausbildung.

Der Anwalt vertritt auch Wojtas Sohn, gegen den im Zusammenhang mit den Vermögenswerten der Mordopfer ermittelt wird. Er soll sich einige davon angeeignet haben. Gerersdorfer kommt dabei in Gewissenskonflikt. Denn der Sohn ist im Prozess gegen die Mutter als Zeuge geladen. Der Anwalt wird in den Raum stellen, dass auch andere Personen Zugang zu den vergifteten Männern hatten, darunter eben der Sohn der Angeklagten. Bei Fragen, durch deren Beantwortungen er sich selbst schaden würde, kann der Zeuge die Aussage verweigern; er darf als Verwandter aber auch ganz schweigen.

Dass Bogumila Wojtas mit den Männern eine (auch sexuell ausgelebte) Lebensgemeinschaft hatte, das wird sie ebenfalls in Abrede stellen. Es sei nur eine freundschaftliche Pflegebeziehung gewesen. Auch habe sie nie ein Hehl daraus gemacht, verheiratet zu sein. Und der Termin für das Aufgebot mit Ableidinger? „Der hat halt davon geträumt, sie zu heiratet und sich gedacht, er wird sie schon noch überzeugen“, sagt Gerersdorfer.

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