Chronik/Niederösterreich

Protest gegen Bauexperimente

Seit Jahren setzt sich Rechtsanwalt Gottfried Thiery, 52, für den Erhalt der Kulturlandschaft in der Wachau ein. Die aktuelle Entwicklung macht ihm allerdings große Sorgen. Der KURIER sprach mit dem gebürtigen Dürnsteiner, der den berühmten Burgweingarten in Teamarbeit bewirtschaftet und wo Trockenmaurer schweißtreibendes Brechen von Steinen für die Mauern wie vor 800 Jahren betreiben. Er fürchtet, dass verantwortungsloses Bauen das Kapital der Wachau nachhaltig schädigt oder zerstört. Eine Entwicklung, die aus seiner Sicht längst begonnen hat. KURIER:Sie ärgern sich über eine Aussage, wonach in der Wachau bauliche Experimente möglich sein müssen. Thiery: Richtig. Wenn das vom Geschäftsführer des Arbeitskreises Wachau kommt, der gegründet wurde, um die Wachau vor einem Kraftwerk und den Einflüssen der Mächtigen zu schützen, dann könnte das Statement genauso gut von einem Vertreter der Bauindustrie sein. Gefährlich ist die Beispielwirkung. Wie ist das möglich? Durch die Bauordnung, die für das ganze Land gleich ist. Welche Folgen sehen Sie? Dass ein Neubau in der Wachau im Weltkulturerbe genauso aussehen darf wie in Wiener Neudorf neben der Südautobahn. Damit ist die Bauordnung für die Wachau absolut untauglich. Dass dieser Zustand seit Errichtung des Welterbes andauert, ist ein Skandal. Ein Staatsvertrag verpflichtet Republik, Länder und Gemeinden, Gesetze zum Schutz zu schaffen. Wie wirkt sich das Versäumnis aus? Die Wachau generiert den Großteil ihrer Arbeitsplätze in Wein- und Obstbau sowie aus dem Tourismus. Beide Säulen leben von der Unversehrtheit der Kulturlandschaft. Wer die beschädigt, gefährdet à la longue auch die Arbeitsplätze. Viele Gäste sind entsetzt, ja angewidert über das, was im Osten von Dürnstein an Wohnbau geschieht. Bei dem Projekt, das sie ansprechen, wird Beton stellenweise mit Naturstein verkleidet. Reicht das nicht? Der Stein für die 4500 Hektar Terrassen, eigentlich das größte Gebäude Österreichs, wurde hier aus Gföhler Gneis gebrochen, fügt sich farblich ein. Einen Stein von irgendwo her auf Beton zu kleben, ist pervers und ein Affront gegen die anonymen Baumeister, die mit unglaublichem Gefühl für Mutter Natur eine Landschaft verwandelt haben. Die im Mittelalter mit den Terrassen dem natürlichen Landschaftsverlauf gefolgt sind. Ich will den Wohnbedarf nicht herunter spielen, aber das Problem zu lösen muss in Abstimmung mit den vitalen Interessen der Region zu schaffen sein. Sie rechnen mit Auswirkungen auf den Tourismus? Ja. Weil Gäste die Harmonie und Wärme suchen, die die Wachau und ihre alten Ortschaften ausstrahlen. Nicht die Kälte der harten Kanten moderner Bauwerke.