Österreichs unberührte Natur: Wo es noch richtig wild zugeht
Wer sich in die Wachau begibt, sucht die landschaftlichen Schönheiten an der Donau, genießt die Weine und Marillen oder erkundet die historischen Stätten. Dass man sich aber auch in die Wildnis wagen kann, ist vielleicht nicht ganz so bekannt. Die erobert sich derzeit nämlich die Altarme der Donau zurück. Möglich macht das das Renaturierungsprojekt „Auenwildnis Wachau“ der Via Donau, das von der EU gefördert wird.
Auwaldflächen auf bereits vorhandenen und neu entstehende Inseln sollen verbessert und erweitert werden, stark gefährdete Tiere wie die Gelbbauchunke, der Donau-Kammmolch aber auch der Seeadler neue Lebensräume finden. Vier Millionen Euro werden aufgewendet, um einen 1,4 Kilometer langen Flussarm verwildern zu lassen. Gut angelegtes Geld, findet Ministerin Karoline Edtstadler, die sich mit Staatssekretär Magnus Brunner und NÖ-Landesvize Stephan Pernkopf (alle ÖVP) ein Bild vom Projektstand machte.
Geschützte Wildnis
Doch was ist das eigentlich genau, eine Wildnis? Der Begriff hat einen mystischen Klang und weckt bei vielen romantische Vorstellungen von Natur. Dabei sind die unberührten Flecken in Österreich Mangelware. Offiziell gelten laut WWF nur 1,2 Prozent der Staatsfläche als gut geschützte Wildnis. Geht es nach den strengen Kriterien der Weltnaturschutzorganisation IUCN sind lediglich 0,03 Prozent Österreichs ein Wildnisgebiet der Kategorie I – jenes bei Dürrenstein in Niederösterreich. Es ist auch das einzige offizielle Wildnisgebiet.
Seit der Eiszeit wurden hier praktisch keine Bäume gefällt. Natürliche Prozesse wie Lawinen- und Murenabgänge, Hochwässer und Insektenbefall dürfen stattfinden. Bäume, die umfallen, bleiben liegen. Tausende Arten von Flechten bis zum Säugetier finden hier eine einzigartige Heimat.
1,2 Prozent
der Staatsfläche Österreichs gilt laut WWF Österreich als gut geschützte Wildnis. Dazu zählt etwa Dürrenstein, aber auch Nationalparks.
28 Jahre
lang unterstützt die Europäische Union schon im Rahmen des Life-Programms Projekte zum Schutz bedrohter Tierarten und gefährdeter Lebensräume so wie in der Wachau.
Ohne Menschen
Ganz streng genommen ist das Gebiet um den Nebenarm in der Wachau also gar keine Wildnis, denn es müsse eine größere Fläche sein, erklärt Bernhard Kohler vom WWF. „Wildnis ist ein Gebiet, in dem keine menschliche Landnutzung mehr stattfindet. Anstelle des Menschen bestimmen natürliche Prozesse was passiert.“ Unendliche unberührte Flächen sind klarerweise nicht leicht zu finden. Aber auch nicht immer notwendig. Auch kleinere Projekte seien wichtig.
Generell seien diese Flächen von hoher Bedeutung, weil es Tier- und Pflanzenarten gibt, die auf solche natürlichen Prozesse angewiesen sind. Der Mensch würde sonst überall regulierend eingreifen. „Wenn man umfassenden Naturschutz betreibt, muss es beides geben“, sagt Kohler. „Das ist kein entweder – oder.“
Wildnis nah bei Wien
Wie rasch sich Wildnis wieder ausbreiten kann, zeigt ein Projekt in unmittelbarer Nähe der Großstadt Wien – im Wienerwald. Dort wurden im Zuge der Schaffung des Biosphärenparks 37 Kernzonen eingerichtet. Zonen, wo jede forstwirtschaftliche Nutzung verboten ist, um „den Urwald von morgen“ zu schaffen. „In 15 Jahren hat sich ein dynamischer Prozess entwickelt, von der hohen Artenvielfalt, die sich heute hier zeigt, sind wir positiv überrascht“, sagt Harald Brenner vom Naturraummanagement des Biosphärenparks.
Seltene Tiere vom Weißrückenspecht bis zum Hirschkäfer bevölkern (wieder) die Wälder. „Es werden keine Arten ausgesetzt, sondern die Gebiete werden sich selbst überlassen. Es ist toll, zu sehen, wie rasch sich die Natur zurückholt, was ihr gehört“, betont Brenner.
Und wie wild geht es weiter? WWF-Mann Kohler ist bei den Zielen bescheiden und nennt als nächsten Schritt die zwei Prozent geschützte Wildnis im Land: „Wenn man den Dingen ihren Lauf lässt, passiert oft erstaunlich Positives.“