Chronik/Niederösterreich

ÖBB nisten sich im Grundbuch ein

Zwangsenteignungen von privaten Grundeigentümern sind bei übergeordneten Infrastrukturprojekten keine Seltenheit. Dass Hausbe­sitzer aber sogar bei unter­irdisch verlaufenden Tunnelröhren zum Handkuss kommen, stößt derzeit einigen Betroffenen in Niederösterreich sauer auf. Dort treibt der Bau des Semmering-Basistunnels seltsame Blüten. Eine Grundbesitzerin aus Gloggnitz-Aue im Bezirk Neun­kirchen muss machtlos mitansehen, wie die ÖBB wegen zwei Quadratmetern als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen werden. Die Ablösesumme von 6,71 Euro empfindet Maria Weissenböck (60) fast als Hohn.

Es ist nicht das erste Mal, dass Anrainer des geplanten Basistunnels gegenüber dem Milliardenprojekt das Nachsehen haben. In Gloggnitz wurden bereits 23 Haus­besitzer umgesiedelt, ihr Eigentum wurde dem Erd­boden gleichgemacht. Den Platz benötigen die ÖBB für die Verlegung der Bundesstraße. Hätten sich die An­rainer nicht mit den Ablösesummen zufriedengegeben, wäre es zur Zwangsenteignung gekommen. Auch Maria Weissenböck wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Dabei liegen Haus und Grund der 60-Jährigen nicht einmal direkt über dem Tunnel. „Die Röhre muss gesichert werden und für diese unterirdische Verankerung will die ÖBB zwei Quadratmeter meines Grundstücks“, schildert Weissenböck.

Protest Nach mehreren Interventionen war am Donnerstag ein ÖBB-Mitarbeiter bei der Frau, um ihr das sogenannte Servitut (siehe unten) zu erklären. „Ich habe keine andere Möglichkeit als zuzustimmen“, sagt die 60-Jährige.

Dabei gehe es ihr überhaupt nicht um die „läp­pischen“ zwei Quadrat­meter, sondern um die Ein­tragung ins Grundbuch. „Ich würde den Grund sogar herschenken, leider geht das nicht. Aber wer braucht schon einen fremden Mit­eigentümer, der im Grundbuch aufscheint?“, sagt Weissenböck. Sie fürchtet eine Wertminderung ihres Grundes.

ÖBB-Sprecher Christopher Seif spricht von einer üblichen Vorgangsweise, es bestehe kein Grund zur Be­unruhigung. „Wenn man unter dem Grund von jemanden etwas machen will, muss man ein Servitut er­wirken. Dieses wird ins Grundbuch eingetragen und deswegen auch ent­sprechend abgegolten.“

Servitut

Das Servitutsrecht kommtdort zur Anwendung, wo Nutzungsrechte an fremden Grundstücken erforderlich sind. Häufig wird ein Servitut in der Land- und Forstwirtschaft angewendet, beispielsweise um das Recht zu erhalten, über das Grundstück eines anderen Eigentümers zu gehen, fahren, oder Leitungen zu verlegen. Bei Tunnelbauten oder der Errichtung unterirdischer Pipelines etwa zur Gasversorgung werden die jeweiligen Grundeigentümer mit einem Servitut belastet.