Molkerei im Waldviertel: Milcherzeugung, ganz koscher
Von Marlene Penz
2.268 Liter Milch werden am Dienstagvormittag in der Molkerei Wagner im niederösterreichischen Biberschlag (Bezirk Zwettl) mit einem bestimmten runden Pickerl versehen. Der weiße Sticker mit schwarzen hebräischen Buchstaben weist die „Waldviertler Bauernmilch“ als „koscher“ aus. Auf die Packung kleben darf es nur einer: der Maschgiach. Das ist der Aufseher, der die Einhaltung der Regeln der jüdischen Speisegesetze kontrolliert. Er wird von einem Rabbiner beauftragt.
In diesem Fall übernimmt diese Aufgabe Samehov Bhor Boris aus Wien. Am Montag reist er an, um am Abend beim Melken der Kühe im Stall der Familie Wagner dabei zu sein. Am Dienstagmorgen um 5.30 Uhr beginnt sein Arbeitstag wieder dort. „Ich bin bei jedem Arbeitsschritt dabei bis die Milch in der Packung oder das Joghurt im Becher ist“, erzählt er, während er die Milchpackungen, die auf einem Förderband aus der Abfüllanlage rattern, mit den Zertifikaten beklebt.
Reinheitsgebot
Einmal pro Woche wird in der kleinen Molkerei „koscher“ Milch erzeugt und alle drei Wochen Joghurt, Sauerrahm, Butter und Eiskaffee. „Wir sind die einzige Molkerei in Österreich, die das macht. Vor fünf Jahren haben wir damit begonnen“, erklärt Milchbauer Gerhard Wagner.
Da Kühe im jüdischen Glauben als „koscher“ gelten, ist auch ihre Milch „koscher“ – also erlaubt. Früher war Milch aber auch durchaus von Tieren, die nach den Speisegesetzen nicht erlaubt sind und so hat es sich eingebürgert, dass die Erzeugung überwacht wird. Üblich ist das heute noch in orthodoxen Kreisen.
„Im Wesentlichen geht es um das Reinheitsgebot. 48 Stunden vorher darf keine andere Produktion in der Molkerei stattfinden und die Anlagen müssen koscher steril gemacht werden“, sagt Wagner. So wird beispielsweise der Joghurttank randvoll mit Wasser gefüllt, auf über 100 Grad erhitzt, mit einem Schluck Säure versehen und danach versiegelt. Damit Joghurt. das den Kriterien entspricht, gemacht werden kann, müssen alle Zutaten ebenfalls zertifiziert sein. Das war anfangs eine Herausforderung, blickt Wagner zurück: „Die Joghurtkulturen, die wir dazu brauchen, haben wir aus den USA einfliegen lassen.“ Die Früchte für die vier unterschiedlichen Sorten Joghurt kommen von einem Betrieb in der Steiermark, denn auch der Betrieb muss koscher-zertifiziert sein.
Rege Nachfrage
Rund zehn Prozent der Gesamtproduktion ist nun für die jüdische Glaubensgemeinschaft. „Diese Milchprodukte werden hauptsächlich in Wien vertrieben. Es wird aber auch nach Ungarn geliefert und es gibt Anfragen aus Deutschland und der Schweiz“, sagt Wagner. Die koscheren Milcherzeugnisse vom Waldviertler Hof werden von Samehov Bhor Boris an die jüdische Bäckerei Ohel Moshe in Wien-Leopoldstadt geliefert. Von dort werden sie weitervertrieben.
„Viele Leute lieben Joghurt und Milch von hier. Ansonsten bekommt man es so vorwiegend aus Frankreich und Belgien“, berichtet Bhor Boris. Zu den Abnehmern gehören zwei weitere Lebensmittelgeschäfte in Wien und einige österreichische Hotels. „Vor allem im Sommer, wenn jüdische Gäste in dem Alpen Urlaub machen“, sagt der Maschgiach. Die Produktionsmenge ergibt sich an Hand der Nachfrage. In Wien zählen rund 7.000 Personen zur Israelitischen Kultusgemeinde – zur jüdischen Gemeinde. Laut Samehov Bhor Boris würden aber nur wenige streng religiös leben und auf koscher-zertifizierte Milchprodukte achten.