Lückenhafte Ausweispflicht im Spital
Ein Ambulanzbesuch im Krankenhaus ohne Ausweis – das ist seit Jahresbeginn in ganz Österreich nur mehr im Notfall möglich.
In ganz Österreich? Nein. In Oberösterreich wird die Weisung des Bundes somit noch nicht umgesetzt. "Erst muss das durch die Landesregierung im oö. Krankenanstaltengesetz festgehalten werden", sagt Jutta Oberweger, Sprecherin der oö. Gesundheits- und Spitals-AG. Die Landesregierungen haben dazu noch ein halbes Jahr zeit. Bis dahin kontrolliere man nicht.
Die Verpflichtung der Spitäler wurde eingeführt, um dem Missbrauch mit der eCard vorzubeugen. Die Identität der Patienten in Spitälern muss nun ohne Zweifel geklärt sein. Ausnahmen sind medizinische Notfälle.
4131,41 Euro Schaden
Dabei hält sich die Anzahl der Betrugsfälle im Rahmen. Im Jahr 2014 wurden 21 Fälle mit der eCard dokumentiert – zumeist war die Karte weitergegeben worden. Unberechtigte erschlichen sich so ärztliche Leistungen. Der entstandene Schaden ist mit 4131,41 Euro überschaubar.
Die Kontrollen treffen nicht nur auf Gegenliebe. Speziell die Ärztekammer moniert: "Wir sind keine Kontrollore, sondern haben Hilfe zu leisten", sagt Sprecher Martin Stickler.
Die Ausweispflicht hat sich noch nicht überall herumgesprochen. In NÖ etwa berichtet der zuständige Landesrat Karl Wilfing davon, dass "es immer wieder vorkommt, dass die Patienten noch keinen Ausweis dabei haben. Daher erinnern wir daran, dass Patienten bitte ihren Ausweis mitnehmen, da sonst keine Behandlung möglich ist."
Beim Lokalaugenschein im Landesklinikum Krems an der Donau zeigt sich die Lage allerdings recht entspannt: "Ja, ich hab meinen Ausweis dabei. Ich hab schon vor einiger Zeit in der Zeitung gelesen, dass das jetzt notwendig ist und habe keine Problem damit", sagt Erwin Hartner aus Mühlbach am Manhartsberg. Er ist aber auch ein Routinier, weil er seit Monaten regelmäßig zu Kontrollen ins Krankenhaus muss.
Tanja Zibek aus Waidhofen an der Thaya reagiert überrascht: "Nein, das mit dem Ausweis wusste ich noch nicht." Die junge Mutter zweier Kleinkinder ist daher nicht begeistert. "Ich habe meinen Führerschein immer im Auto, weil ich ihn sonst nirgends brauche. Mit den Kindern zum Auto zurückzumarschieren, ist nicht angenehm."
Information
Jürgen Walzl aus Walpersdorf im Bezirk St. Pölten sitzt im Wartebereich direkt unter einem jener Plakate, die auf die Neuerung aufmerksam machen. Auch wegen der Medienberichterstattung weiß er Bescheid. "Heute war Premiere, da musste ich zum ersten Mal den Ausweis herzeigen", lacht er.
"Wir haben schon vergangenes Jahr ab 10. Dezember überall Plakate angebracht, damit die Menschen es mit bekommen", erklärt Angelika Schinko, im Landesklinikum Krems für die Patientenaufnahmen zuständig. "Die meisten Leute wissen bereits, dass sie einen Ausweis benötigen. Selbst in der Unfallambulanz haben etwa 90 Prozent der Leute schon ein Ausweisdokument dabei", sagt sie.
In Wien ist die Ausweispflicht schon lange Usus. Seit 2009 wird sie in den Krankenhäusern des Krankenanstaltenverbundes (KAV) gehandhabt.
Vertrauen
Auch die niedergelassenen Ärzte müssen Ausweise von Neu-Patienten nun kontrollieren. Ein Umstand, der in der Ärztekammer heiß umstritten ist. „Wenn ein Unbekannter Hilfe braucht – was ist dann? Dürfte man den nicht behandeln?“, fragt Ärztekammer-Sprecher Martin Stickler. Dazu kommt ein erhöhter Aufwand. Stickler hat ein Rechenbeispiel parat. „Bei den niedergelassenen Ärzten wird jährlich 130 Millionen Mal die eCard gezückt. Würden wir nur jeden zehnten Fall mit Ausweis überprüfen, – und dauert das nur zehn Sekunden – sind das 4500 Arbeitsstunden.“
Österreichs Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger ist selbst Allgemeinmediziner in Innsbruck. Für ihn zeigt die Gesetzesnovelle, dass „der Staat seinen Bürgern nicht traut“. In der Praxis werde sich nicht viel ändern: „Die Kassenverträge haben uns immer schon dazu verpflichtet, die Identität von unbekannten Patienten zu überprüfen.“ Leider müsse man den Leuten nun aber den prinzipiellen Rat geben, einen Ausweis zum Arzt mitzunehmen.
„Ich bin dem Patienten verpflichtet, ich kann ihn nicht so einfach abweisen“, sagt etwa der Wiener Kinderarzt Peter Voitl. „Ich kann nicht von jedem Patienten einen Ausweis verlangen. Ein generelles Misstrauen – das ist auch eine schwierige Geisteshaltung.“ Bei begründeten Zweifeln allerdings würde er schon darauf pochen.