Gewerbepark auf KZ-Areal: Bürgermeister von Leobersdorf in der Kritik
Von Markus Foschum
Es handelt sich um eine unscheinbare Wiese gleich neben der Autobahnauffahrt Leobersdorf (Bezirk Baden). In der Umgebung gibt es Tankstellen, Supermärkte, einen Gewerbepark, das leer stehende Outlet-Center Leoville und Weingärten. Kaum einer der vielen Autofahrer, die auf der B18 hier vorbei fahren, wird der Wiese einen Blick schenken, doch vor 79 Jahren befand sich hier das Außenlager Hirtenberg des KZ Mauthausen. Mehr als 400 Frauen waren im "Wohnlager Weingarten" untergebracht, die im nahen Munitionswerk für das NS-Regime arbeiten mussten.
Nun soll auf dem Areal ein Gewerbepark errichtet werden. Was einerseits die Frage aufwirft, ob diese Zukunft mit der Vergangenheit (moralisch) vereinbar ist. Und andererseits die Rolle von Leobersdorfs Bürgermeister Andreas Ramharter (Liste Zukunft Leobersdorf) thematisiert. Denn vom Verkauf des 81.000 Quadratmeter großen Grundstücks soll er profitiert haben, berichteten Wiener Zeitung, Falter und ORF.
2021 hat die Firmenholding von Ramharter den Berichten zufolge die Gründe erworben und in den folgenden beiden Jahren in zwei Tranchen um 15,25 Millionen Euro an einen Bauunternehmer veräußert. Die Verträge enthielten auch zwei sogenannte Kaufpreisbesserungen in Verbindung mit Umwidmungen. So wurde ein als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeter Streifen entlang der Bundesstraße zu Bauland Betriebsgebiet, eine zweite öffentliche Verkehrsfläche zur Privatstraße. Wodurch Ramharters Firma 1,34 Millionen Euro zusätzlich bekommen haben soll. Die Umwidmungen erfolgten mit Gemeinderatsbeschlüssen 2022 und im September 2024, auch der Bürgermeister selbst stimmte zu.
Heftige Kritik
Die Berichte zogen heftige Kritik nach sich. Das Mauthausen Memorial betonte Medien zufolge in einer Stellungnahme: „Unmittelbar nach Bekanntwerden der geplanten Verwertung des Areals zu gewerblichen Zwecken, machte das Mauthausen Memorial auf die Problematik einer kommerziellen Überbauung aufmerksam.“ Doch „mehrmalige Versuche, einen Dialog herbeizuführen, scheiterten“.
Fest steht, dass das Areal nicht unter Denkmalschutz steht. Oberflächlich ist von der traurigen Vergangenheit gar nichts mehr zu sehen, im Untergrund gibt es Reste von Fundamenten, aber „aus derzeitiger Sicht sind diese Reste – auch im Vergleich mit anderen ehemaligen, archäologisch feststellbaren Lagern, die unter Denkmalschutz stehen – im Sinn des Denkmalschutzgesetzes nicht ausreichend, um sie unter Denkmalschutz zu stellen“, teilte das Bundesdenkmalamt laut Berichten mit.
Politdebatte
Rund um das Vorhaben ist eine Politdebatte entbrannt. Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, bezeichnete die Baupläne als „unerträgliche Geschichtsvergessenheit“ und forderte einen Stopp des Projekts. „Dass durch Umwidmung dieser Flächen auch noch Profite gemacht wurden, hat dabei einen ganz fahlen Beigeschmack.“ Die Nationalratsabgeordnete verlangte ein Eingreifen des Bundes, um das Gelände langfristig als Gedenkstätte zu sichern.
„Was wir hier beobachten, ist ein erschreckendes Beispiel dafür, wie mit historisch sensiblem Boden umgegangen wird, wenn wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen“, kritisierte Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen NÖ, in einer Aussendung. Das geplante Bauvorhaben sei „Beispiel für die besorgniserregende Entwicklung der Raumordnung“ im Bundesland. Krismer kündigte einen Antrag zur Änderung des nö. Raumordnungsgesetzes an, der ein Bebauungsverbot für historisch belastete Grundstücke vorsehe.
Neos-Landesparteivorsitzende Indra Collini sah „enormen Handlungsbedarf bei den Kontrollmechanismen innerhalb von Gemeinden“ sowie die Notwendigkeit, über einen strengeren Wertekompass für Bürgermeister nachzudenken. Und WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories forderte in einer Aussendung Kompetenz-Reformen sowie schärfere Gesetze und Kontrollen. Zudem müsse ausgeschlossen werden, dass Bürgermeister gleichzeitig in der Immobilien- oder Bauwirtschaft tätig sein dürfen.
Seit 80ern gewidmet
Ramharter weist die Vorwürfe zurück. Und betont, dass die Gründe seit den 1980er-Jahren als Bauland-Betriebsgebiet gewidmet sind. Damals noch im Besitz der ÖIAG (Österreichische Industrieaktiengesellschaft). 1989 verkaufte man an die SOGIP. „Die ÖIAG, also die Republik Österreich, hat damals keine Hinderungsgründe für eine Betriebsansiedelung gesehen. Ganz im Gegenteil, der Verkauf an SOGIP erfolgte mit der verbrieften Absicht, dort zukünftig einen Industriepark zu errichten, um Betriebe und Arbeitsplätze anzusiedeln“, betont Ramharter.
Dessen PRISMA Development GmbH die SOGIP 2021 übernahm, einschließlich der ehemaligen KZ-Gründe. „Es handelt sich hier um keine wertvollen Ackerböden. Auch aufgrund der Nähe zur Autobahn ist das Areal hervorragend für Betriebsansiedelungen geeignet“, sagt Ramharter. Man habe auch Bodenradaruntersuchungen und Probeschürfungen gemacht. Dabei sei kein Schutzbedarf festgestellt worden. „Wir haben das sauber abgearbeitet und immer die Kooperation gesucht.“ Andere Flächen in der Umgebung, die in der NS-Zeit ebenfalls als Lager dienten, seien schon vor längerer Zeit bebaut worden.
Zu den beiden Umwidmungen sagt Ramharter, dass dadurch die Gemeinde profitiere. „Allein an Errichtungskosten erspart sich die Marktgemeinde dadurch circa eine Million Euro und ist auch nicht für die Instandhaltung und den Winterdienst verantwortlich. Eine klassische Win-win Situation“, so Ramharter. Beschlossen wurde einstimmig bzw. mit großer Mehrheit im Gemeinderat.
„Wir haben keine günstigen Flächen von der Gemeinde erworben und nach wertsteigender Umwidmung wieder verkauft. Der Gemeinde ist kein Schaden entstanden und alle Abgaben wurden bezahlt. Ich bin erfolgreicher Geschäftsmann und dafür geniere ich mich nicht“, sieht sich Ramharter voll im Recht. Man habe auch schon Gesprächsbereitschaft für eine Gedenkstätte auf dem Areal signalisiert.