Chronik/Niederösterreich

Krems: Studenten statt Gefängniszellen

Noch fehlt das politische Bekenntnis. Trotzdem könnten die Tage des zweitgrößten Gefängnisses Österreichs in Krems-Stein gezählt sein. Seit seinem Antrittsbesuch in der mehr als 160 Jahre alten Anstalt kennt Justizminister Wolfgang Brandstetter, die dortigen Verhältnisse. "Am liebsten wäre es mir, alles abzureißen und neu zu bauen", sagte Anstaltsleiter Bruno Sladek dem Minister. Die verschachtelte Anlage mache Insassen wie Beamten das Leben schwer.

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Nicht nur Justizkreise sind für den Neubau. Der angrenzende Campus (Donau-Uni, Medizin-Uni, Fachhochschule) zieht immer mehr Studenten an. Daher schalten sich auch Bildungsmanager in die Diskussion ein. Das Gefängnis-Areal wäre die ideale Entwicklungszone. Der KURIER sprach mit Ulrike Prommer, der Managerin der IMC-Fachhochschule (FH), über die Situation.

KURIER: Vor 20 Jahren hat Ihr Vater das Vorgängerinstitut der FH gestartet. Heute sind es 2100 Studenten, 180 Mitarbeiter, 350 Lehrende. Was ist in 20 Jahren?

Ulrike Prommer: Wachstum und Qualität bleiben unsere Leitplanken. Unser Ziel sind 3500 Studierende.

In 20 Jahren?

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Wie es ausschaut, werden wir 2020/’21 die 3000er-Marke überschreiten. Wir wollen in 20 Jahren als IMC Fachhochschule Krems in unseren Kernbereichen anerkannt sein. Wir streben aber nicht ein Wachstum auf 20.000 Studierende wie auf der WU an.

Was bedeutet das für die Qualität an Ihrer FH?

Uns ist wichtig, dass unsere Absolventen rasch einen adäquaten Job bekommen. Wir bilden daher dort aus, was der Markt braucht. Unsere Absolventen haben 99 Prozent Beschäftigungsquote.

Am Anfang stand diese FH für den Tourismus. Jetzt hat man sich in die Breite entwickelt. Wofür wollen Sie stehen?

Für drei Bereiche: Business, Gesundheitswissenschaften und Life-Science, also medizinische Biotechnologie. Da wollen wir weiter ausbauen.

Klingt nach Ergänzung zur benachbarten Medizin-Uni, der Karl-Landsteiner-Universität?

Wir sehen uns hier als Klammer. Wir bieten primär Bachelor-Studiengänge an. An der Karl-Landsteiner-Universität sind die Schwerpunkte ergänzend – bis zum Doktorat.

Ein Punkt für Wachstum sind die Finanzen. Wie gut fühlen Sie sich von der Politik unterstützt?

Die Bundesförderungen machen bei uns 50 Prozent aus. Eine Schwierigkeit ist aber, dass dieser Fördersatz in den vergangenen 20 Jahren erst ein Mal inflationär angepasst wurde. Hier besteht absolut Handlungsbedarf.

Zum Wachstum gehört Fläche. Die neue Medizin-Uni belegt den letzten verfügbaren Platz am Campus. Wie stehen Sie zur Absiedlung der Justizanstalt?

Vor 20 Jahren hat es den Campus noch nicht gegeben. Wenn man sich die Entwicklung anschaut, wie sich der Bildungs- und Kulturbereich hier in Krems-Stein entwickelt hat, dann wäre es vernünftig, diesen zukunftsweisenden Trend fortzuführen.

Das 60.000 Quadratmeter Justiz-Areal steht dem im Wege?

Ich habe mir die Justizanstalt von innen angeschaut. Ich glaube, dass hier vom Strafvollzug bauliche Maßnahmen zu setzen wären. Mit einem Neubau ginge das.

Sie sind also für die Absiedlung?

Ja. Was man braucht, ist natürlich ein Konzept. Also was macht man mit den Flächen und wo geht die Justiz hin? Das ist für Krems ganz wichtig, weil es um viele Arbeitsplätze und Gelder geht.

Krems ist die fünftgrößte Stadt Niederösterreichs und zählt aktuell 24.000 Einwohner. Wie groß sind die Studierendenzahlen in zehn Jahren?

2021 werden alle Hochschulen 13.000 Studierende haben, nimmt man die höheren Schulen dazu, kommt man auf mehr als 20.000 junge Leute in Krems.

Was heißt das für eine aufstrebende Hochschulstadt?

Wichtig wäre es, dass man die Bildung als neuen wichtigen Wirtschaftsfaktor erkennt und hier einen positiveren Zugang findet. Man liest immer nur das Negative, wenn Studierende zu laut sind oder wenn alles verparkt ist. Aber wie viele Leute hier durch die Bildung einen Job erhalten haben, liest man kaum.

Haben sich die Unternehmen bereits auf die neue Zielgruppe der Jungen eingestellt?

Etliche schon, diese Geschäfte gehen auch sehr gut. Da ist aber sicher noch Potenzial drinnen. Auch studentisches Wohnen ist noch ein großes Zukunftsthema.

Und der öffentliche Bereich?

Es braucht Sportmöglichkeiten für die Studierenden, andere Öffnungszeiten oder Zugverbindungen und eine durchgängig englischsprachige Website der Stadt. Damit könnte man zeigen, dass wir eine Hochschulstadt sind.

Der 53-jährige Burgenländer Hans H. ist ein kleiner Betrüger. Trotzdem sitzt er seit Dezember 2013 in der berüchtigten Justizanstalt Stein – und er fürchtet um sein Leben.

Aber nicht die benachbart untergebrachten Schwerverbrecher machen ihm Angst, sondern die aus seiner Sicht katastrophalen Zustände in der Sonderkrankenanstalt des Gefängnisses, in die der Kranke zur Behandlung gebracht wurde.

„Ich habe Angst, dass ich die verbleibenden knapp zwei Jahre nicht überlebe“, sagt Hans H.Es geht ihm jetzt viel schlechter als vorher. Ich will ihn nicht verlieren“, betont Maria, die Frau des Gefangenen.

H. erzählt: „Die Justizbeamten sind in Ordnung. Das Spital ist aber ein Witz. Manchmal, wenn man einen Arzt braucht, schaut der einen nur durchs Guckloch an. Zum Blutdruckmessen steckt man den Arm durch die Essensklappe“, berichtet der Mann, der vor Jahren einen schweren Autounfall hatte, seither nach eigenen Angaben unter Schmerzen im Bein leidet. „Knocheneiterung mit Fisteln“ sei, wie er sagt, nur eine der Folgen. Einmal habe sich ein Zellengenosse neben ihm in der Nacht erhängt. Psychologische Betreuung habe es keine gegeben.

Simulant

Seit Monaten, klagt H., würden immer neue Gutachten eingeholt. Richtige Behandlung erhalte er nicht.
„Die tun mich als Simulanten ab“, sagt er. In seinem Akt, der dem KURIER vorliegt, steht vermerkt, man solle bei Klagen „nicht sofort“ den Notarzt holen.

„Man hat mir zu dem Fall so viele Details genannt, dass ich davon ausgehe, dass der Mann korrekt versorgt wird. Er ist regelmäßig in ärztlicher Behandlung. Für Routine-Blutdruckmessungen, die nachts erledigt werden, kann man nicht immer die Zelle aufsperren. Ich habe angeordnet, dass unser Chefarzt die Unterlagen prüft“, erklärt Christian Timm von der Vollzugsdirektion.

Dass H., weil er bei einem Freigang einen Herzinfarkt erlitt, in ein öffentliches Spital gegangen sei, gilt als Versuch, den Freigang zu verlängern. „Die Ärztin sagt, es ging um Minuten. Wäre das im Gefängnis passiert, wäre er tot“, beteuert seine Frau.