Chronik/Niederösterreich

Im Bärenparadies wird es langsam eng

Viel Herzklopfen für alle Beteiligten brachte der Transport dreier erwachsener Bären von Oberösterreich in die Waldviertler Auffangstation "Bärenwald" der Organisation Vier Pfoten vergangene Woche mit sich. "Ich bin erleichtert, dass nicht nur die Übersiedlung, sondern auch die ersten Tage der Eingewöhnung problemlos verlaufen sind", sagt Sigrid Zederbauer. Sie leitet den Bärenwald in Arbesbach im Bezirk Zwettl, NÖ.

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Doch die Sorgen sind nicht vorbei: Es könne sein, dass die Neuen erst im Frühjahr zu randalieren beginnen. Und zwar, wenn sich die Hormone der Hunderte Kilo schweren Tiere vom Winterschlaf auf die Fortpflanzung umstellen.

Das ist aber nicht die einzige Sorge der erfahrenen Tierpflegerin: Der Zuzug hat die Platzkapazität der Anlage ausgeschöpft. Und viele private Bärenhaltungen im Land würden vermuten lassen, dass schon bald neue Bären einen Platz brauchen, wenn etwa Besitzer die Tiere nicht mehr halten können.

Gesetzeslücke

"Eigentlich verbietet das Tierschutzgesetz die Haltung bestimmter Wildtiere. Doch bei Bären und Wölfen macht es eine kuriose Ausnahme", sagt Zederbauer. Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten setzt sich jedenfalls für eine Änderung des Gesetzes (siehe auch Geschichte rechts) ein. Denn bei privater Haltung verlangt es nicht einmal den Einsatz geschulter Tierpfleger.

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So würden die Bären oft unter Bedingungen gehalten, die zwar dem Gesetz entsprechen, aber weit entfernt von vielen Bedürfnissen der Tiere sind. "Auch wir können keine volle Artgerechtigkeit bieten, das kann nur die Freiheit. Aber wir haben viel Platz zur Verfügung und geben den Tieren die Möglichkeit, ihren Tagesablauf großteils selbst zu gestalten", erklärt Zederbauer.

Erkundung

Die drei Bären aus Oberösterreich sind gesundheitlich in gutem Zustand. Vorsichtig erkunden sie ihr neues Gehege, beschnuppern die Bäume, den weichen Waldboden. "Es war rührend zu sehen, wie die drei einander begrüßt und Nasenkontakt gesucht haben, als einer nach dem anderen ins Gehege gebracht wurde." Noch zögerlich nehmen die Bären auch Kontakt mit den Nachbarn auf. Die waren bisher durch einen leeren Sektor von den neuen getrennt. Jetzt ist nur noch ein Zaun dazwischen. Das Interesse hält sich bisher in Grenzen.

"Bisher haben sie umgeben von Betonmauern auf Betonboden gelebt. Sie hatten keinen Ausblick, konnten nur hören, was sich in der Umgebung tut und wurden von dem überrascht, was von oben kommt. Auch wenn es Futter war", erklärt Zederbauer. Ihr Team bemüht sich, die Bären zu natürlichem Verhalten anzuleiten. Die Pfleger bauen "Christbäume", indem sie Futter an Äste hängen, damit die Bären sich bewegen. Oft verteilen sie Nahrung, die den Jahreszeiten entspricht, damit die Tiere es erst suchen müssen.

"Gleichzeitig müssen wir die Bären dazu bringen, uns zu vertrauen und in die Schleusen zu gehen, wenn wir sie untersuchen müssen", sagt Zederbauer.

Nun muss sie sich mit dem Platzproblem beschäftigen. "Wir sind in Verhandlungen um ein angrenzendes Grundstück. Das kann nur gelingen, wenn wir ausreichend Spenden bekommen", sagt die "Bärenwald"-Leiterin. Weil die Tiere bis zu 40 Jahre alt werden, vermutet sie, dass in den kommenden Jahrzehnten mehr neue Bewohner Platz im Bärenwald brauchen als alte sterben. www.vier-pfoten.at

Zehn Zoos, Wildparks oder private Besitzer halten derzeit in Österreich nach einer Erhebung der Tierschutzorganisation Vier Pfoten ingesamt 30 Bären.

Nicht alle dieser Einrichtungen würden das Tierschutzgesetz genau nehmen oder behördliche Auflagen erfüllen, meint Sigrid Zederbauer vom Bärenwald Arbesbach. Zusätzlich gebe es in Österreichs Nachbarländern zahlreiche Bären, die unter zweifelhaften Bedingungen gehalten werden. Viele von ihnen könnten früher oder später Kandidaten für die Betreuung im Bärenwald werden.

Die Rechtslage in Österreich trage laut "Vier Pfoten" nicht allzu viel bei, um die Situation deutlich zu verbessern. Die Haltung von Großbären außerhalb von Zoos sowie wissenschaftlichen Einrichtungen ist zwar laut der Tierhaltungsverordnung verboten, weil sie besondere Anforderungen an die Haltung stellen. Jedoch sind die Braunbären davon ausgenommen.

Die Verordnung gesteht einem Braunbärenpaar ein Außengehege im Mindestmaß von 300 Quadratmetern zu. Für jedes weitere erwachsene Tier muss die Fläche nur um zehn Prozent größer werden.

Und weil Jungtiere deutlich mehr Besucher anlocken als "Senioren", die keine Show mehr liefern, würden immer noch Braunbären in Gefangenschaft geboren, kritisiert Vier Pfoten.