Chronik/Niederösterreich

Hundebox-Fall: Opferanwalt reicht Klage gegen das Land NÖ ein

Im Fall um einen nunmehr 14-Jährigen, der von seiner Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und gequält worden sein soll, hat Opferanwalt Timo Ruisinger eine Klage gegen das Land Niederösterreich eingebracht. Wie Recherchen von APA und ORF NÖ am Freitag ergaben, werden 150.000 Euro an Schmerzengeld begehrt. Festgestellt werden soll weiters die Haftung für zukünftige Schäden des Buben, der „unfassbares Martyrium durchleben“ habe müssen.

Eingebracht wurde die zivilrechtliche Klage beim Landesgericht Krems. Der Gesamtstreitwert beträgt 180.000 Euro, zu den 150.000 Euro an Schmerzengeld kommen 30.000 Euro an Feststellungsinteresse für die zukünftigen Schäden. Rechtlich gestützt ist die der APA vorliegende Klage auf das NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz, das Land ist demnach der Träger der Kinder- und Jugendhilfe.

Bezug nimmt Ruisinger hauptsächlich auf die Rolle zweier Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen a. d. Thaya, die mit dem Fall befasst waren. Deren Handeln und Unterlassen sei dem Land als Träger der Kinder- und Jugendhilfe zuzurechnen. „Es gab eine Vielzahl an Hinweisen, dass die Kindesmutter dem Wohl des Klägers schadet und diesem dadurch körperliche und psychische Schäden zugefügt wurden“, heißt es in der Klage.

"Nicht adäquat" 

Nach zwei Gefährdungsmeldungen hatte es seitens der Kinder- und Jugendhilfe am 28. Oktober und am 18. November 2022 (vier Tage, bevor der Bub ins Koma fiel) jeweils unangekündigte Hausbesuche bei Mutter und Sohn gegeben. Zunächst waren beide Sozialarbeiter an Ort und Stelle gewesen, beim zweiten Termin erschien der federführende Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen a. d. Thaya alleine. Geortet wurden von ihm zwar Auffälligkeiten, es wurde aber keine Veranlassung für eine sogenannte Gefahr-im-Verzug-Maßnahme angenommen.

Aus Sicht des Opfervertreters wurde „nicht adäquat“ reagiert, insbesondere wäre ein persönliches Gespräch mit dem Kind notwendig gewesen, wurde festgehalten. Den Mitarbeitern der Bezirkshauptmannschaft sei „Versagen vorzuwerfen“. Schaden und die schwere Dauerfolge hätten verhindert werden und dem Kind erspart bleiben können, heißt es in dem vierseitigen Dokument.

Ruisinger hatte bereits Mitte April Amtshaftungsansprüche gegen das Land Niederösterreich außergerichtlich geltend gemacht. Gefordert wurden auch damals in einem Schreiben 150.000 Euro Schmerzengeld und eine Haftung für sämtliche zukünftige Schäden des Buben. Die Ansprüche wurden seitens des Landes aber nicht anerkannt. 

In einer Antwort berief man sich auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und führte eine fehlende Rechtsgrundlage ins Treffen. Das Handeln der Kinder- und Jugendhilfeträger sei nicht der Hoheits-, sondern der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen, wurde argumentiert. Nun wird der Zivilrechtsweg gewählt.

Land will Klage prüfen

Die Ansprüche wurden seitens des Landes aber nicht anerkannt. In einer Antwort berief man sich auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und führte eine fehlende Rechtsgrundlage ins Treffen. Das Handeln der Kinder- und Jugendhilfeträger sei nicht der Hoheits-, sondern der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen, wurde argumentiert. Nun wird der Zivilrechtsweg gewählt. „Seitens des Landes Niederösterreich wird diese Klage, sobald sie eingelangt ist, durch die Fachabteilung rechtlich geprüft werden“, hieß es am Freitag zum ORF.

Gegen die beiden in der nunmehrigen Klage erwähnten Sozialarbeiter - ein Mann und eine Frau - laufen laut Angaben von Behördensprecher Franz Hütter vom Freitag weiterhin auch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Krems. Im Raum steht der Verdacht des Amtsmissbrauchs.

Die ursprüngliche Causa selbst sorgte über die Landesgrenzen hinweg für Aufsehen. Die nun 34-jährige Mutter soll ihren Sohn geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox eingesperrt haben. Am 22. November 2022 hatte sich das Kind in akut lebensbedrohlichem Zustand befunden. Der damals Zwölfjährige überlebte wegen des Einschreitens einer Sozialarbeiterin, die der Familie aufgrund einer Beratung bekannt war. Als Komplizin der Kindsmutter soll eine damalige Freundin der Waldviertlerin fungiert haben.

Die 34-Jährige hatte in dem Geschworenenprozess Ende Februar wegen versuchten Mordes, Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie wegen Freiheitsentziehung 20 Jahre Haft erhalten. Ihre ehemalige Freundin fasste wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin 14 Jahre aus. In beiden Fällen wurde zudem die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ausgesprochen. Die Urteile sind mittlerweile rechtskräftig.

Expertengruppe prüfte bereits

Die Kinder- und Jugendhilfe hatte nach Bekanntwerden des Falls 2023 betont, dass eine sofortige Prüfung der internen Abläufe ergeben habe, dass „alle rechtlichen und fachlichen Vorgaben eingehalten wurden“. Aufgrund von im Gerichtsverfahren bekanntgewordenen Details wurde seitens des Landes eine nochmalige Prüfung des Falls vorgenommen, ein entsprechender Bericht wurde den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt.

Bereits im Vorjahr war die Causa auch Grund für das Zusammentreten einer Expertengruppe. Ein folgender Kommissionsbericht, der sieben allgemeine Empfehlungen umfasst, wurde Anfang März präsentiert. Mit dem konkreten Sachverhalt beschäftigte man sich nicht, Bestimmungen des Datenschutzes und berufsrechtliche Verschwiegenheiten standen dem entgegen.