Chronik/Niederösterreich

Gesetzeskeule gegen Atommüll

Vor mehr als 35 Jahren hat sich Österreich gegen ein Kernkraftwerk in Zwentendorf entschieden. Trotz Ablehnung der Atomenergie wird radioaktiver Müll zum konkreten Bedrohungsszenario. Wie berichtet, ist die tschechische Republik seit Langem auf der Suche nach einem Standort für ein Atommüll-Endlager. Einige der favorisierten Flächen liegen in unmittelbarer Grenznähe zu Ober- und Niederösterreich (siehe Grafik unten). In den nächsten Monaten soll eine entscheidende Vorselektion erfolgen.

Im Konzert der möglichen Standorte wurde bis zuletzt auch Kraví Hora favorisiert, eine alte Uranmine etwa 50 Kilometer nördlich von Laa/Thaya. Österreichische Experten attestieren einem Endlager dort die größte mögliche Gefährdung für Niederösterreich. Das Stollensystem sei zu anfällig für Schäden. Dann könnte sich auch radioaktives Grubenwasser über Thaya und March bis zur Donau ausbreiten.

„Ein Endlager in Grenznähe dürfen wir nicht zulassen. Ich habe den tschechischen Umweltminister im Vorjahr informiert, dass wir alle rechtlichen Schritte dagegen ergreifen werden“, sagt der nö. Umweltlandesrat Stephan Pernkopf. Das könnte gefruchtet haben: Kürzlich wurde die Genehmigung für weitere Untersuchungen in Kraví Hora aufgehoben. Pernkopf: „Das ist ein wichtiger Erfolg, aber wir bleiben wachsam.“ Laut Insidern soll die stillgelegte Uranmine noch nicht ganz aus dem Rennen sein.

Pernkopf setzt auf die Polit-Achse mit Oberösterreichs Landesrat Rudi Anschober. Das Nachbarbundesland ist mit einer ähnlichen Bedrohung wie Niederösterreich konfrontiert. Der mögliche Endlager-Standort Boletice liegt nur 18 Kilometer vor der Landesgrenze. „Der Plan, große Mengen Hunderttausende Jahre strahlender Substanzen in Nähe unserer Grenze unterirdisch zu lagern, darf nie Wirklichkeit werden. Ich werde alle politischen und rechtlichen Hebel nützen“, sagt Anschober.

EU-Recht

Beide Landespolitiker machen nun ernst und erheben rechtliche Möglichkeiten gegen die tschechische Republik. Eine Studie der Johannes Kepler Universität Linz soll das tschechische Genehmigungsverfahren zum Atommüllendlager durchleuchten und dazu rechtliche Schritte vorbereiten. Ebenso wird geprüft, ob die tschechische Vorgehensweise EU-Recht entspricht.

Unterstützung für die Landespolitik kommt auch vom Umweltminister. „Ein Endlager in Grenznähe kann nicht akzeptiert werden“, stellt Andrä Rupprechter Österreichs Position klar. Aber auch bei weiter entfernten Standorten werde er Sicherheitsinteressen einbringen. „Das bedeutet etwa, dass wir grenzüberschreitende Beteiligung an einschlägigen Verfahren einfordern werden.“ Noch habe aber kein solches Verfahren begonnen.

Schon die Schwierigkeiten, die sich im Zusammenhang mit der Frage der Endlagerstätten ergeben, würden zeigen, „dass Atomenergie weder eine sichere noch eine nachhaltige Energieform darstellt“, sagt Rupprechter.

Die Studienautoren Erika Wagner und Ferdinand Kerschner stellen den Tschechen jedenfalls schon jetzt kein gutes Zeugnis aus: „Wenn man die bisherige tschechische Verwaltungspraxis bewertet, ergeben sich zahlreiche Verletzungen internationaler und europarechtlicher Vorgaben.“

4108 Oberösterreicher haben offiziell Einwand gegen das atomlastige Energiekonzept Tschechiens erhoben. Umweltlandesrat Rudolf Anschober (Grüne) kündigt nun eine weitere Offensive gegen den Ausbau des grenznahen Atomkraftwerks Temelin an. Man werde in Tschechien gezielt auf die Folgen eines staatlich garantierten Abnahmepreises hinweisen. Im Falle eines Ausbaus müsste der Staat Temelin-Betreiber CEZ jedes Jahr mit einer Milliarde Euro unter die Arme greifen, der Strompreis würde dadurch um bis zu 15 Prozent steigen.

Derzeit ist zwar die Mehrheit der Tschechen für die zwei neuen Reaktorblöcke, die Preisgarantie gilt allerdings als umstritten. „Solch ein Mechanismus würde den Gewinn dem Betreiber überlassen, aber Unternehmensrisken auf Bürger übertragen. Dem können wir nicht zustimmen“, sagte auch der neue Premier Bohuslav Sobotka. CEZ hingegen hat bereits mehrfach signalisiert, Temelin ohne Preisgarantie nicht ausbauen zu wollen.

Wegweisend für Temelin wird auch sein, ob die EU-Kommission demnächst Milliardensubventionen für das britische AKW-Neubauprojekt Hinkley Point C genehmigt. Ein Nein würde wohl auch das Aus für weitere Reaktorblöcke in Temelin bedeuten, denn beide Projekte setzten auf dasselbe Subventionskonzept.

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