Fleischlos – auch am Muttertag
Von Julia Schrenk
Auf der Speisekarte stehen Rindsgulasch, Cordon Bleu, Paprikahendl oder Surschnitzel. Wie es sich in einem typischen Wirtshaus eben gehört. Nur: im Rindsgulasch ist kein Rind, im Paprikahendl kein Hendl und im Surschnitzel kein Schnitzel. Denn das Gasthaus Schillinger in Großmugl (Bezirk Korneuburg) kocht ausschließlich vegan. Und jeder Fleischskandal bereitet dem Lokal einen Aufschwung.
„Ich bin vegan geworden, weil ich Tiere mag“,erzählt der Wirt in elfter Generation, Charly Schillinger. Als sein Vater, der für das Wirtshaus noch Hausschlachtungen durchführte, verstorben ist, und Schillinger mit seiner Mutter und seinen Schwestern den Betrieb übernahm, war irgendwann der Zeitpunkt gekommen, an dem ein Schwein geschlachtet hätte werden müssen. „Meine Mutter konnte es nicht. Meine Schwestern konnten es nicht. Und ich konnte es auch nicht.
Und dann haben wir uns entschieden: Wer es nicht schafft, das Tier, das er essen will, zu töten, sollte es auch nicht verspeisen“, erzählt der 47-Jährige. Also durfte Schwein Jaisy weiterleben. Schillinger baute dem Tier einen geräumigen Stall mit eigenem Sommerquartier und ein paar extra Bürsten, an denen es sich reiben konnte. Jaisy wurde zwölf Jahre alt und starb eines natürlichen Todes.
Faser statt Fleck
Seitdem, das war Ende der 1980er-Jahre, hat Schillinger kein Fleisch mehr gegessen. Seit 1999 isst die gesamte Familie vegan, verzehrt also keinerlei tierische Produkte: Keine Milch, keine Eier, kein Fleisch. Und trotzdem: Auf sein Gulasch (mit Knödel, nicht mit Spätzle), wollte Charly Schillinger nicht verzichten. „Ich habe lange herumgetüftelt, aber mittlerweile bin ich soweit, dass ich die Gäste mit meinem veganen Gulasch täuschen könnte.“ Schillingers Geheimnis? Er verzichtet auf den geschmacksbefreiten Tofu-Fleck und verwendet stattdessen gepresstes Sojaeiweiß, das Fleisch auch in seiner Faserung sehr ähnlich ist.
Veganes Mekka
Dass gerade Großmugl, ein kleiner Ort, der nicht unbedingt mit urbanem Flair punkten kann, zum Mekka der veganen Kost in Österreich wird, hat auch den Wirten anfangs überrascht. „Manche haben mich für verrückt erklärt, aber mit dem Erfolg ist die Anerkennung gekommen“, sagt Schillinger.
Und dass seine Idee von der veganen Hausmannskost ankommt, zeigt ein Besuch in Schillingers Wirtshaus: Nach wie vor kommen die alteingesessenen Kartenspieler am Vormittag, und die Menü-Esser der ortsansässigen Betriebe zu Mittag. Mittlerweile bereitet Charly Schillinger auf Wunsch auch den Mittagstisch im örtlichen Kindergarten zu. „Wir haben ein paar Mal Probe gekocht und den Kindern hat‘s geschmeckt“, sagt er. Am Wochenende kommen die Gäste „von überall her“, das Lokal ist dann „knackevoll“. Wer also dem nächsten Fleischskandal entkommen möchte: Ohne Reservierung geht beim Schillinger nichts.