Chronik/Niederösterreich

Fest der Spätantike: So lebt es sich in den Schuhen Caesars

„Cives romani, cives pannoniae“, begrüßt Kaiser Valentinian I. die Bürger der Römerstadt Carnuntum. Ehrfürchtig knien diese vor ihm nieder.

Ein Erdbeben hatte vor einigen Jahren, etwa 350 nach Christus, die Stadt erschüttert, die Kriege im Umland machen das Leben unsicher. Hilfe erhofft man sich durch den Adventus, zu Deutsch die Ankunft, des Kaisers. „Worte sind die leeren Waffen der Philosophen, ich werde Taten folgen lassen“, verspricht dieser.

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Im „richtigen Leben“ heißt Valentinian Géza Frank. Und ein Kaiser ist er auch nicht, sondern Musiker. Frank ist einer der rund 200 leidenschaftlichen Hobby-Darsteller, die noch heute und morgen die Vergangenheit im Römischen Stadtviertel lebendig werden lassen.

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Römer aus Leidenschaft

Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes: Die Gäste aus ganze Europa gehen dem Alltag im Alten Rom nach, auch, wenn die Besucher das Gelände schon längst verlassen haben. Geschlafen wird in Zelten oder in den Ruinen, gekocht wird auf dem Steinofen.

Auf den Tisch kommen ausschließlich Speisen, die es bereits im vierten Jahrhundert nach Christus gegeben hat – etwa frittierte Zwiebel, gegrillten Käse, Fladenbrot, Hummus oder Omlette.

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Gewand, Ausstattung und Schmuck wurden originalgetreu und aus Stoffen wie Leine und Seiden eigens hergestellt, moderne Hilfsmittel wie Smartphones, Uhren, Brillen oder sogar Unterwäsche sind strengstens untersagt. „Entweder man trägt welche aus Leinen – oder eben gar keine“, verrät Hofmusiker Melokrates (alias David Christopher Lichteneger) und grinst schelmisch.

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Seinem Namen, der so viel bedeutet wie „kräftiger Klang“, macht er alle Ehre: Auf seiner Tibia, einer traditionellen altrömischen Flöte aus Rohrblättern und Bienenwachs, begleitet Melokrates die Ankunft des Kaisers. Singen kann Melokrates übrigens auch – allerdings nur auf Altgriechisch:

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Tausende Besucher

Initiiert wurde das Fest der Spätantike, das heuer zum vierten Mal stattfindet, vom Kaiser persönlich. Géza Frank besuchte ein Römerfest in Südfrankreich und dachte sich: „Das können wir auch“.

6.000 Besucher lockte das Fest im Vorjahr nach Carnuntum. Auf sie warten Gefechtsvorführungen, Märchenerzählungen, traditionelle Klänge und Kostproben aus altrömischer Küche.

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Frank freut sich, heuer erstmals in die Schuhe des Valentinian I. schlüpfen zu dürfen. Obwohl – dieser gilt als einer der unangenehmsten Kaiser, die er je kennengelernt habe, berichtet der Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus. „Er ist jähzornig und brutal, ungeduldig und unnachgiebig. Aber er war ein militärisches Genie, bescherte dem Land die letzte wirtschaftliche Blütezeit und hatte ein Herz für die Armen“, so Marcellinus. So erbaute er etwa Waisenhäuser in Rom und erleichterte die untere Bevölkerungsschicht von ihren Steuern.

Er stirbt übrigens 375 nach Christus, ein Jahr nach seinem Besuch in Carnuntum. Also Valentinian I., nicht Frank. Grund dafür ist ein Wutanfall. „Die innere Hitze ließ sein Blut stocken“, berichtet der Geschichtsschreiber Marcellinus trocken. „Geschieht ihm recht, dem alten Choleriker.“

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Im Jahr sechs nach Christus errichtete der spätere Kaiser Tiberius im Raum Carnuntum ein befestigtes Winterlager. Das war der Beginn der römischen Präsenz in Carnuntum. Mit einer Größe von zehn Quadratkilometern, von denen erst 0,5 Prozent freigelegt sind, ist Carnuntum die größte archäologische Stätte Mittel- und Südosteuropas. Weitere Infos unter www.carnuntum.at