EU-Wahl: Die Stimmung im Waldviertler Heimatort des Bundeskanzlers
Von Jürgen Zahrl
Christine Trauner ist bekennender Kurz-Fan. Und das sieht man. Auch am Wahlsonntag trägt sie ihr türkises T-Shirt mit der Aufschrift „Team Kurz“. „Jetzt erst recht“, sagt sie und erlaubt sich damit einen Seitenhieb Richtung FPÖ. Sie und ihr Ehemann Josef Trauner aus Zogelsdorf im niederösterreichischen Waldviertel kennen Kanzler Kurz seit dessen Kindheitstagen. Fast jedes Wochenende hat der gebürtige Wiener auf dem Bauernhof seiner Oma mitten im Dorf verbracht. „Sebastian war oft mit seinem Fahrrad im Ort unterwegs, hat immer freundlich gegrüßt“, erinnern sie sich.
Dass Kurz Spitzenpolitiker wurde, macht sie stolz. „Politik ist sein Leben. Auch wenn seine Mutter darüber nicht gerade begeistert ist“, sagt Frau Trauner. Worüber sie sich aber besonders ärgert ist, dass er jetzt von den anderen Parteien als „Feindbild“ – im Hinblick auf die Nationalratswahl im September – gesehen wird. Wie der Misstrauensantrag in der Parlamentssitzung am Montag ausgehen wird, darüber wagt sie keine Prognose. Sie befürchtet aber Schlimmes. Und steuert mit ihrem Mann das einzige Wahllokal im Ort an.
ÖVP-Gemeinde
Die 140 Einwohner zählende Ortschaft, die zur Gemeinde Burgschleinitz-Kühnring gehört, ist eine von zahlreichen ÖVP-Hochburgen im Bezirk Horn. Hier im Dorf sind viele Bewohner in der Landwirtschaft tätig. Trotz Verlusten von knapp mehr als sechs Prozent wählten bei der vergangenen Europa-Wahl 2014 – laut Gemeindeergebnis – mehr als 52 Prozent die Volkspartei. Die Freiheitlichen konnten ihr Resultat damals auf knapp mehr als 13 Prozent verdoppeln. Diesmal gehen etliche Bewohner von Verlusten für die Blauen aus. „Regierungskrise“ und „Ibiza-Affäre“ waren auch in Zogelsdorf die Gesprächsthemen Nummer eins.
„Was Strache und Gudenus in dem Video gesagt haben, das ist entscheidend. Wenn ich ein FPÖ-Wähler wäre, hätten ihre Aussagen bei mir eine gewichtige Rolle im Wahllokal gespielt“, sagt Josef Kolm nach seiner Stimmabgabe. An einen vergleichbaren Skandal könne er sich in der österreichischen Historie nicht erinnern. „Es ist und bleibt jedenfalls eine traurige Geschichte“, meint Kolm. Aus seiner Sicht mache Kurz einen guten Job. Daher hofft er, dass er den Misstrauensantrag übersteht.
Spannende Zeit - im negativen Sinn
Auch Ingrid Till spricht von einer spannenden Zeit, die Österreich derzeit innenpolitisch erlebt. Allerdings im negativen Sinn. Die Bilder von Strache auf Ibiza seien „befremdlich, aber auch nicht wirklich überraschend“, sagt die "Zugezogene". Für sie habe sich nichts an ihrer Wahlentscheidung geändert. Sie habe ohnehin von Anfang an gewusst, wen sie wählen möchte. Und nicht wählen, sei für sie nicht in Frage gekommen. „Wenn sich die Frauen ihr Wahlrecht schon so schwer erkämpfen mussten, ist es nur logisch, auch die Stimme abzugeben“, sagt Till.
Obwohl die Bilder aus der spanischen Finca auf Ibiza und die dadurch ausgelöste Regierungskrise die Medien innenpolitisch seit Tagen dominieren, gab es trotzdem noch einige Bürger, die sich dafür nur wenig interessierten. „Ich hatte in den vergangenen Tagen sehr viel Arbeit und kaum Zeit, Zeitungen oder Fernsehsendungen zu konsumieren. Ich hab‘ nur gehört, was passiert ist, aber hab mir keine weiteren Gedanken darüber gemacht“, sagt Ferdinand Zechmeister auf dem Weg ins Wahllokal. Einen Appell hat er aber dennoch. „Wichtig wäre, wenn die Politiker wieder mehr auf die Probleme der kleinen Leute hören würden“, sagt Zechmeister. Das sieht eine Frau, die schnellen Schrittes weitergeht, genauso. Zur „Ibiza-Affäre“ sagt sie: „Ohne Worte. Das alles ist nur sehr traurig.“