Eine abenteuerliche Reise zu sich selbst und für andere
Von Markus Foschum
Und was war das Schönste daran? Reinhard Carda überlegt einen Moment, dann sagt er lächelnd: „Es war in seiner Gesamtheit ein tolles Erlebnis, die Weite der Landschaft, die Begegnungen mit freundlichen Menschen, die Entschleunigung, wie man sagt.“ Aber auch, dass so viele Anteil daran genommen haben. Denn das Abenteuer, das den 54-Jährigen aus Melk mit dem Fahrrad an den Rand Europas geführt hat, hat Carda nicht nur für sich gewagt, sondern auch für andere.
Am Anfang stand das „Was“, dann kam das „Warum“. Dabei plagt Carda schon seit Längerem das Fernweh: „Ich unternehme seit 2011 jährlich eine große Radtour.“ In Rumänien, Frankreich oder Polen war er schon, doch das Nordkap, das war ein großes und fernes Ziel. 2023 sollte es so weit sein. Dann ging sein Arbeitgeber in Insolvenz, was „mir in die Hände spielte, denn dadurch erweiterte sich mein Zeitfenster auf zehn Wochen“, erzählt Carda (der im Herbst übrigens schon wieder einen neuen Job antritt).
Das Ziel stand fest, doch Carda wollte mehr – einen Grund. „Ich wollte die Fahrt für einen guten Zweck machen, wusste aber nicht, für welchen.“ Er suchte und stieß auf den Verein „Hands Up For Down“. Carda: „Die Idee, ein Café in Rapottenstein zu eröffnen, um Menschen mit Downsyndrom eine Anstellung und in weiterer Folge eine Ausbildung zu ermöglichen, finde ich sensationell.“ Bei einem Treffen mit Vereinsobfrau Kathrin Jungwirth war man sofort auf einer Wellenlänge: „Dann mach ma das!“
Nur das Nötigste
Das Motto war schnell gefunden: In acht Wochen über 8.000 Kilometer durch acht Länder zu fahren, mit dem Ziel, 80.000 Euro zu sammeln. Das klingt nicht nur gut – die Spendenlatte wurde absichtlich hochgelegt, um zu zeigen, dass es um ein großes Projekt geht.
Am 5. Mai radelte Reinhard Carda los. Mit dabei 17 Kilo Ausrüstung – Kleidung, Reparaturzeug, Zelt, Schlafsack, Kochtopf – nur das Notwendigste. „Es ist ein Aussteigen aus der Komfortzone, ein Verlassen alter Gewohnheiten. Ein auf ein Minimum reduziertes Leben“, erzählt er.
Von Österreich ging es über Tschechien und Deutschland nach Skandinavien. Und auch wenn es manchmal Motivationsprobleme gab („Man sagt, Gegenwind formt den Charakter. Ich kann nur sagen: So a Schmarrn“), ging die Reise gut voran. Und: „Das klingt fürchterlicher, als es ist. Ich bin ja kein Spitzensportler und es war auch kein Rennen. Aber mein Projekt zeigt vielleicht auch, was man schaffen kann. Ohne Ausreden, das sei zu weit, zu schwierig, zu lange.“
Wie fühlt man sich auf einer solchen Reise? „Es löst sich etwas und auf der anderen Seite werden Dinge klarer. Am Ende ist es eine Reise zu sich selbst. Sich vertrauen, dass man es schaffen kann. Sich ein Ziel setzen, die Neinsager ignorieren“.
Begeistert war Carda von den vielen Menschen, die er auf der Reise getroffen hat. Sogar der Weihnachtsmann war dabei – im finnischen Santa Claus Village. „So manche Geschenke aus Kindertagen wollte ich bei dem Treffen nicht hinterfragen.“ Was für Carda aber neben der körperlichen und mentalen Belastung eine Aufgabe darstellte, war das ungewohnte „Füttern“ der Social-Media-Kanäle. Schließlich sollten die Reise dokumentiert und Fans zum Spenden motiviert werden.
Am 10. Juni, nach 3.690 Kilometern, erreichte Carda das Nordkap. „Dieser Ort ist etwas ganz Besonderes, man kann es spüren. Und ich denke, wenn man es aus eigener Kraft hierhin geschafft hat, dann ist es nochmals ein Stück intensiver“, schrieb Carda in seinen Reise-Blog.
Kurz vor Abbruch
An Tag 41 verließ Carda aber das Glück. Das Rad begann zu knacken, der Rahmen hatte einen Riss. Weil eine Reparatur nicht möglich war, fuhr Carda ein Stück entlang der norwegischen Küste mit dem Schiff weiter, reduzierte das Gewicht, flickte das Rad so gut es ging und schaffe es schließlich – vor Kurzem erreichte er Melk.
Und die Bilanz: „Es war sogar einen Tick besser, als ich es erwartet habe. Manchmal konnte ich nur ‚Wow‘ sagen“, meint Carda. Doch die Reise geht weiter. Einerseits läuft die Spendenaktion noch, andererseits hat der Radler viele Ideen: Etwa alle Bezirkshauptstädte in NÖ abzufahren, um für „Hands Up For Down“ Werbung zu machen. Und: „Skandinavien sieht mich sicher wieder. Dann hole ich das Stück, das ich mit dem Schiff gefahren bin, nach.“
Hintergrund
Seine Radtour hat Carda in den Dienst der guten Sache getellt. Er will Spenden für den Verein „Hands Up For Down“ sammeln. Vereinsobfrau Kathrin Jungwirth: "Damit Menschen mit Downsyndrom den Anschluss in die Gesellschaft finden, möchten wir mit ihnen gemeinsam ein Café in Rappottenstein betreiben.“ Am 2. September gibt es auch einen Benefizabend mit Omar Sarsam in Burg Rappottenstein
Infos unter
www.handsupfordown.com
www.8000.bike
www.reinontour.com