Chronik/Niederösterreich

"Der Bub müsste noch leben"

"Warum sind die Polizisten überhaupt hineingegangen?" oder "Wo waren die Eltern des Buben?" Diese Fragen beschäftigen die Menschen auch noch sechs Jahre nach dem tödlichen Schuss auf einen 14-jährigen Einbrecher in einem Kremser Supermarkt. Sie waren Donnerstagabend in Krems auch Teil der Diskussion nach der Uraufführung des Films "Einer von uns", der sich an das dramatische Ereignis anlehnt.

"Ich habe befürchtet, dass die Polizei verurteilt wird, aber das ist nicht passiert. Auch die Betroffenheit des Polizisten wurde klar dargestellt", sagte der Kremser Bezirkspolizeikommandant Manfred Matousovsky nach der ausverkauften Vorstellung im Kino im Kesselhaus.

Falsche Richtung

"Die Debatte ist für mich damals in die falsche Richtung gelaufen. Der Bub müsste noch leben. Das war eine Motivation, den Film zu drehen", erklärte Regisseur Stephan Richter, der sich ebenso wie einige der Darsteller der Diskussion stellten. Trotzdem wurde Richter von genau diesen Themen eingeholt. "Ich habe drei Kinder und hätte gewusst, wo mein 13-Jähriger die Nächte verbringt", meinte eine Frau.

"Ich habe mit der Mutter gesprochen, die darunter leidet. Ich war mit 14 auch nachts unterwegs, ohne dass meine Mutter es wusste", entgegnete Richter. Wenn junge Menschen ausbrechen wollen, könnten Eltern das nicht verhindern. "Im Gegenteil, der Freiheitsdrang wächst noch, wenn Eltern alles kontrollieren. Außerdem: wo bleibt die Weiterentwicklung, wenn Junge nichts ausprobieren?", ergänzte Jungschauspieler Simon Morzé.

"Warum ist die Polizei überhaupt in den Supermarkt hineingegangen, hat ihn nicht umstellt und gewartet?", fragte ein Mann.

Ressourcen

Dazu Polizist Matousovsky: "Weil es auf dem Land nicht die Ressourcen dafür gibt,weil es innerhalb kürzester Zeit Dutzende Fehlalarme gab, weil Marktmitarbeiter sagten, es sei bestimmt wieder ein Fehlalarm wegen eines Vogels im Gebäude. An der Tür gab es auch viele alte Einbruchsspuren", betont Matousovsky und ergänzt: "So eine Situation kann jede Nacht wieder eintreten."

"Was kann man tun, um so etwas zu vermeiden?", fragte eine Zuschauerin. "Wahrscheinlich war es noch nie so schwer, Jugendlicher zu sein mit unendlichen Entscheidungsmöglichkeiten und geringen Perspektiven wegen hoher Jugendarbeitslosigkeit. Wichtig ist, bei Fehlern eine zweite Chance zu geben, Umwege zu erlauben", meinte Sozialarbeiter Markus Tobolka vom Wiener Jugendzentrum "bahn frei".

Richter: "Ein kleiner Baucontainer als Treffpunkt ist alles, was man der Jugend in Lerchenfeld nach dem Ereignis zugesteht." Es sei verständlich, dass Jugendliche sonst sozial nutzlose Betonflächen fürsich nutzen und Mauern besprayen.