Chronik/Niederösterreich

Den Handgewuzelten verfallen

"Ich komme nicht nur hierher, weil wir befreundet sind, sondern weil ich seine Philosophie bewundere", sagt der Künstler Alexander Goebel. Dabei sitzt er auf seinem Stammplatz bei Mohnwirt Johann Neuwiesinger, der vor 26 Jahren die Markenidee des Mohndorfes Armschlag erfunden hat.

"Die gleichen, die ihn damals für seine Initiative getögelt haben, tun heute, als hätten sie sie erfunden. Für mich ist er der Waldviertler Nelson Mandela: Er schlägt nicht zurück", erklärt der in Klosterneuburg wohnhafte Goebel.

Der Musiker, Schauspieler und Entertainer fühlt sich dem Wirt seelenverwandt: "Er hat seine Vision vom regionalen Kulturgut nie aufgegeben." Das sei aber in anderen Bereichen gefährdet: "Die Politik in Niederösterreich hat überall wunderbare Veranstaltungssäle und ein Netz an Musikschulen geschaffen. Das ist international beispielhaft. Aber die Leute glauben anscheinend, dass der Staat auch die Künstler zahlen muss. Wie kann es sonst sein, dass Auftritte an vier Euro pro Eintrittskarte scheitern, weil Veranstalter fürchten, ortsübliche Preisgrenzen zu überschreiten?", fragt sich Goebel, der mit seiner Band in seinen Shows einen Abend Full-Entertainment bietet. "Da geht es darum, ob eine Karte 21 oder 25 Euro kostet. Wenn sich das Publikum Live-Entertainment mit Band statt Playback nicht mehr leisten will, dann werden sie halt nur noch Konserven hören. Deshalb sind DJs auf dem Vormarsch", überlegt er. "Damit sind wir wieder bei regionaler Versorgung", sinniert Goebel weiter. Die drohe im Kulturbereich ebenso verloren zu gehen wie im Konsum. "Leute zahlen 95 Euro für eine Busfahrt samt Musicalbesuch in Wien. Ich komme um einen Bruchteil dieser Kosten samt Ensemble zu ihnen." Denn "nichts ist wichtiger für die Identität als gemeinsam zu lachen. Deshalb kämpfe ich für hohe Entertainment-Qualität in allen Regionen". Besänftigen kann ihn erst die Wirtin, die einen Teller handgewuzelter (aus Erdäpfelteig gerollter) Mohnnudeln aufträgt. "Das hat Suchtpotenzial", erklärt Goebel mit vollem Mund.

Schlafmohn

Die Gelegenheit nutzt Rosemarie und erzählt: "Wir haben anfangs experimentiert und eine Reihe von Gerichten mit Mohn erfunden. Aber wir bieten natürlich auch das klassische Bratl." Alle Zutaten stammen aus der Nachbarschaft. "Den Mohn bauen wir selber an, Fleisch und Eier holen wir im nächsten Dorf", erzählt der Mohnwirt.

Auf den Schlafmohn angesprochen erinnert er sich: "Vor Jahren wollte ein Fernsehteam eine Reportage über die Suchtgefahr von Mohn drehen. Aber die Gäste konnten essen, so viel sie wollten: Der Drogentest verlief immer negativ." Stolz zeigt er seine Sammlung Hunderter Mohnmühlen. Und den "Mohnhimmel": Ein Raum, gefüllt mit Kunstwerken, die mit Mohn zu tun haben. Beim Kaffee erzählt Goebel, der demnächst mehrmals in NÖ auftritt, von seinem neuesten Projekt: "Ich freue mich auf eine Talk-Serie zum Thema Werte, der in Niederösterreich zum Jahresende gemeinsam mit der Landesregierung startet.www.goebel.at