Bootsunglück: Das Protokoll des Versagens
Von Patrick Wammerl
Neue Informationen und Einsatzprotokolle zum Bootsunglück am 1. September auf der Donau bei Hainburg werfen kein gutes Licht auf die Vorgangsweise des Bundesheeres. Wie Beteiligte anderer Einsatzorganisationen berichten, sei das Heer mit der Krisensituation überfordert gewesen. Lange Zeit war für das Heer nicht einmal klar, dass überhaupt jemand von den 53 Zivilistinnen des Girls’ Camp vermisst wird. Fotos die dem ORF NÖ zugespielt wurden, dokumentieren, dass fast 40 Minuten lang nicht aktiv nach den beiden vermissten Frauen, die unter dem gekenterten Boot eingeklemmt waren, gesucht wurde.
Für Sophie K. (17) und Natalie T. (22) wurde der Traum von einer Karriere beim Bundesheer zum Albtraum. Die beiden jungen Frauen waren beim Bootsunglück im Rahmen des Girls’ Camp auf der Donau unter das gekenterte Pionierboot geraten. Nachdem sie 40 Minuten lang unter Wasser waren, steht noch immer nicht fest, ob sie die Tragödie überhaupt überleben werden und wenn ja mit welchen Folgen.
Mehr als drei Wochen nach dem Unglück stellt sich die Frage, wieso das Verschwinden der Frauen überhaupt erst so spät vom Bundesheer bemerkt wurde, wenn wie von Heeressprecher Oberst Michael Bauer behauptet, „noch an der Donau eine Standeskontrolle durchgeführt wurde“.
Das Boot kenterte um 9.49 Uhr. Fotos zeigen, wie Bundesheerangehörige um 10.11 Uhr, 10.17 Uhr und sogar um 10.19 Uhr immer noch seelenruhig an einer Sandbank neben dem umgedrehten Boot stehen und warten. Indes waren die Frauen darunter bereits mehr als eine halbe Stunde ohne Sauerstoff. Wie Feuerwehrleute im Gespräch mit dem KURIER berichten, sei erst viel später bekannt geworden, dass zwei Zivilistinnen fehlen. Gegen 10.28 Uhr sei auf das Drängen von Feuerwehrleuten hin unter dem Boot gesucht worden. Das erste Opfer wurde gefunden. Wiederum ein paar Minuten später wurde erst die Zweite der beiden Vermissten geborgen und reanimiert.
Das Bundesheer selbst setzte keinen Notruf ab, dieser erfolgte um 10.04 Uhr durch einen Feuerwehrmann. Dass Heeressprecher Michael Bauer diesen Notruf als „nicht relevant“ bezeichnete, weil nur Decken angefordert sein sollen, sorgt in Feuerwehrkreisen für Empörung. „Zumal auf diesen Anruf hin die Rettungsleitstelle Großalarm auslöste“, sagt ein Feuerwehrmann, der namentlich nicht genannt werden möchte.
Spekulationen
Nachdem Bauer bereits wenige Stunden nach dem Unglück in einem TV-Interview bekräftigte, dass der Bootsführer „nach derzeitigem Erkenntnis alles richtig gemacht“ habe und auch kein technisches Gebrechen vorliege, gibt er sich nun zugeknöpfter. Bevor der Endbericht der Untersuchungskommission nicht vorliege, wolle man keine Spekulationen anstellen. Denn bisher ist das Bundesheer davon ausgegangen, dass die große Welle die das Pionierboot zum Kentern brachte, von einem Güterschiff ausgelöst wurde. Zum Zeitpunkt des Unglücks war aber keines dieser großen Schiffe bei Hainburg unterwegs.
Der genaue zeitliche Ablauf
Um Frauen für den Dienst in der Uniform zu gewinnen, führt das Bundesheer sogenannte Girls’ Camps durch. Am 1. September war man dafür mit 56 Teilnehmerinnen an der Donau. 26 von ihnen befanden sich in Booten am Wasser, als ein Pionierboot um 09.49 Uhr kenterte.
Fünf Soldaten und acht Zivilistinnen werden in die Donau geschleudert. Andere im Wasser befindliche Schiffe nehmen Schiffbrüchige auf und drängen das gekenterte Boot zu einer Sandbank. Um 10.04 Uhr setzt ein Feuerwehrmann, der an einer Übung auf der Donau teilnimmt, einen Notruf ab. Daraufhin löst die Rettungsleitstelle um 10.08 Uhr Großalarm aus.
Um 10.11 Uhr liegt das gekenterte Boot an der Sandbank, nach den vermissten Frauen wird an der Stelle aber nicht gesucht. Erst um 10.28 Uhr kann die erste Frau laut Einsatzprotokollen unter dem Boot heraus gezogen werden, um 10.34 Uhr die Zweite. Beide werden sofort reanimiert. Laut einem Vermerk ist plötzlich unklar, ob noch jemand fehlt.