Chronik/Niederösterreich

Arsen-Morde: "In USA hätte Urteil der Geschworenen Freispruch bedeutet“

Am Donnerstagabend wurde die Polin Bogumila Wojtas in Krems nicht rechtskräftig des zweifachen Giftmordes schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch es bleiben Zweifel: Gerichtsmediziner Christian Reiter ist – wohlgemerkt als Privatmann, wenngleich mit umfassendem Überblick über den Fall – davon überzeugt, dass Ehemann und Sohn der Angeklagten an der Arsen-Vergiftung beteiligt waren (lesen Sie darüber mehr am Sonntag).

Verteidiger Timo Gerersdorfer hält die 52-Jährige nicht für die Täterin und geht in Berufung. Er vertritt auch den 29-jährigen Sohn der Angeklagten im Nachfolge-Verfahren um Bereicherung an Vermögenswerten der Mordopfer und hat im Prozess anklingen lassen, ob nicht dieser mit den Arsen-Vergiftungen zu tun haben könnte.

KURIER: Erster spektakulärer Prozess und gleich eine Niederlage. Wie fühlt man sich da?
Timo Gerersdorfer:
Ich sehe das nicht so, ich konnte Zweifel wecken, die Geschworenen haben mit 6:2 Stimmen entschieden, in den USA hätte das Freispruch bedeutet.

Wie gehen Sie moralisch damit um, den einen Mandanten – den Sohn – als Täter ins Spiel zu bringen, um die andere Mandantin – die Mutter – zu entlasten?
Ich bin ja kein Anhänger der Mehrtätertheorie. Ich habe mit dem Sohn abgesprochen, dass ich Zweifel wecken darf. Ich habe nie behauptet, dass er es war, aber es wurde nicht 100-prozentig ausermittelt. Man kann nicht Geschworenen einen Sachverhalt vorsetzen, der nicht zur Gänze ermittelt wurde. Wir haben ja im Prozess auch dauernd über Vermögensdelikte gesprochen und ganz wenig über Arsen.

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Wollen Sie von Ihren Mandanten wissen, ob sie die Tat begangen haben?
Nicht unbedingt. Bei kleinen Straftaten ist mir natürlich das Liebste, wenn der sagt: ,Ich hab’ das gemacht, wie kann man das in Ordnung bringen?‘ Aber sonst muss der Mandant nicht die Wahrheit sagen, mir nicht und dem Gericht auch nicht. Ich muss die Wahrheit sagen. Und der Mandant hat ja auch das Gefühl, dass der Anwalt zum Gericht dazugehört, schon durch den Talar. Dem sagt man nicht unbedingt die Wahrheit.

Haben Sie Chancen auf Freispruch gesehen?
Ja, durchaus. Es wurde dann ja auch sinngemäß so begründet: Sie wird es schon gewesen sein.

Wenn Sie einen Täter heraus­boxen können, von dem Sie wissen, dass er es war, dann läuft ein Mörder frei herum. Ist das nicht furchtbar?
Da gibt es einen schönen Satz: Ich verteidige nicht die Tat, sondern den Menschen. Aber ich hatte bisher drei Mordfälle und war in allen drei Fällen überzeugt, dass es die Angeklagten nicht waren.