Innsbruck-Wahl: Die Bergstadt, die Weltstadt sein möchte
Von Christian Willim
In einem Stichwahlduell um das Innsbrucker Bürgermeisteramt wird sich heute entscheiden, ob die bürgerliche Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer oder der grüne Herausforderer Georg Willi das Rennen machen wird.
Sonntag vor einer Woche: Vor dem Rathaus spielt eine Volksmusikkapelle auf. Die Arbeitsgemeinschaft Volkstanz Tirol funktioniert die Flaniermeile zur Tanzschule für Einheimische und neugierige Touristen um. Das Tirol-Klischee ist in der einst bürgerlich-konservativen Landeshauptstadt nach wie vor gegenwärtig.
Der Wandel in den vergangenen 25 Jahren ist dennoch unübersehbar. Damals konnten Nachtschwärmer etwa Bars mit Sperrstunden jenseits von 1 Uhr noch an einer Hand abzählen. Aus diesem Notstand heraus erwuchs unter anderem die „Bogenmeile“, die sich in einem Viadukt der ÖBB einnistete.
Frischen Wind in den Lifestyle brachte Mitte der 1990er-Jahre unter anderem die Snowboardszene, die aus der Stadt heraus wuchs und diese zu einem Hotspot mit Magnetwirkung machte. Die Nähe der Berge, imposante Kulisse Innsbrucks, ist viel genanntes Motiv ausländischer Studenten für ihre Uni-Wahl.
Heimweg und Aufbruch
Im Frühling spielt die Landeshauptstadt ihre Asse am stärksten aus. Da treffen Nachtschwärmer in den frühen Morgenstunden mitunter auf Wintersportler, die zu ihren letzten Touren aufbrechen. Die Biker kämpfen sich indes Tag für Tag näher an die nach oben rückenden Schneegrenze heran. Zum Abschluss ist dann ein Sprung in einen See möglich.
Oder man trifft sich in verdreckten Sportklamotten in Lokalen wie der Machete in der Innenstadt. Der Burrito-Laden steht sinnbildlich dafür, wie Studenten Angebot schaffen, wenn die Nachfrage nicht gedeckt wird. Zwei Deutsche und ein Oberösterreicher haben vor drei Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Inzwischen haben die Uni-Abgänger zwei weitere Lokale mit urbanem Flair eröffnet.
Studenten sind der Motor der Stadt. Auf 133.000 Einwohner kommen in Innsbruck über 30.000 Studenten – 40 Prozent davon aus dem Ausland. Universität und Uni-Klinik sorgen auch als Arbeitgeber für Internationalität.
Unter den rund 104.000 heute Wahlberechtigten sind fast 18.000 EU-Bürger ohne österreichischen Pass dabei. Ab 2011 bescherte Zuzug der Stadt rasantes Wachstum. Die Schattenseite: Innsbruck gehört zu einem der teuersten Pflaster Österreichs. Wie viel Wachstum die Stadt noch verträgt, sorgt für heiße politische Debatten. Der Wohnraum ist durch die Berge an den Flanken der Stadt begrenzt.
Städtische Lifte
Die werden im Norden wie auch im Süden von städtischen Liftanlagen erschlossen. Der Neubau der Patscherkofelbahn auf den Olympia-Hausberg war einer der großen Aufreger der vergangenen Jahre. Statt der ursprünglich geplanten Kosten von 41 Millionen Euro schlägt die inzwischen eröffnete Bahn mit 58 Millionen Euro zu Buche.
Von der Gemeindepolitik wurde das Vorhaben gerne auch mit der Begründung gerechtfertigt, dass es um den „Mythos Sportstadt“ gehe. Die Selbstzuschreibungen reichen darüber hinaus von Universitäts- bis Weltstadt.
Das zur Schau getragene Selbstbewusstsein hält mit der Realität freilich nicht immer Schritt. Das Kulturangebot ist zum Beispiel wenig weltstädtisch. Das Tiroler Landestheater etwa übt sich in provinziellem Schauspiel, das vor allem auf Quote schielt. Und die Museen verwalten in erster Linie Tiroler Historie. Der Blick in Gegenwart und Zukunft wird fast ausschließlich privaten Institutionen überlassen.
Die Berge bleiben mitunter also bis heute Tellerrand, über den es sich zu blicken lohnen würde.