Coronavirus: Ungarns "Aktion scharf" bedrohte Burgenlands Pflegesystem
Von Thomas Orovits
Nach seiner Stimmband-Operation kaum aus dem Krankenhaus entlassen, hat sich Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Freitag schon wieder auf der politischen Bühne zurückgemeldet und einen Brief an die Bundesregierung geschickt, zuvor hatte er mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen telefoniert.
Grund war eine Verschärfung des ungarischen Grenzregimes bei der Ein- und Ausreise, die das burgenländische Gesundheits- und Pflegesystem arg zu schwächen drohte.
Am Freitag ist in Ungarn ein Beschluss des Nationalen Zentrums für Volksgesundheit in Kraft getreten. Dieser Beschluss sieht unter anderem vor, dass sich auch ungarische Staatsbürger, bei denen kein COVID-19-Verdacht besteht, in 14-tägige Quarantäne begeben müssen.
Diese Bestimmung trifft auch alle ungarischen Arbeitskräfte, die zu ihrem Arbeitsplatz ins Burgenland pendeln. „Das Burgenland ist von dieser Regelung massiv negativ betroffen, weil wir damit zumindest für die nächsten zwei Wochen dringend erforderliches Personal verlieren – besonders im Gesundheits- und Pflegebereich“, so Landeshauptmann Doskozil. Er drängte die Bundesregierung zu einer bilateralen Lösung des Problems.
Brief an Kanzler
Der Landeshauptmann hat heute in einem Schreiben an Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) auf die "dramatischen Auswirkungen dieser neuen Bestimmung für das Burgenland" aufmerksam gemacht. „Es gibt in vielen Wirtschaftsbereichen, am Arbeitsmarkt und besonders im Gesundheits- und Pflegebereich eine sehr enge Verflechtung mit Ungarn. Wir brauchen das Personal aus Ungarn, um diese Krisensituation meistern zu können“, betonte der Landeshauptmann. In Gesprächen mit der ungarischen Regierung müsse zumindest für Grenzregionen bzw. für Arbeitskräfte im Gesundheits- und Pflegebereich eine Ausnahmeregelung erzielt werden.
Rund 1.200 Personen arbeiten in burgenländischen Altenwohn- und Pflegeheimen und der Hauskrankenpflege. Darunter befinden sich rund 300 ausländische Arbeitnehmer, mit 201 Personen vorrangig Ungarn, gefolgt von Slowenen mit 48 Personen. Darüber hinaus kommen zahlreiche Personenbetreuerinnen, die in der 24-Stunden-Betreuung im Burgenland tätig sind, auch aus Ungarn sowie aus Rumänien, Slowakei, Kroatien und Slowenien.
Bei den Spitalsärzten sind vor allem die Landesspitäler in Güssing (23 Prozent der Ärzte kommen aus Ungarn), Oberwart (15 Prozent Ungarn) und Oberpullendorf (11Prozent) betroffen. In Kittsee kommen 35 Prozent der Spitalsärzte aus der Slowakei. Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt hat mit gut fünf Prozent ausländischen Ärzten (die meisten aus Ungarn) den geringsten Anteil.
Für Pfleger wie Ärzte gibt es von den burgenländischen Stellen das Angebot, vorübergehend im Burgenland zu wohnen, die Kosten übernehmen die Spitals- und Pflegeeinrichtungen.
Gentlemans Agreement der Innenminister angepeilt
Am späten Nachmittag zeichnete sich eine Lösung ab. Man unternehme alles, um den bewährten kleinen Grenzverkehr in gewohnter Manier aufrechterhalten zu können, hieß es aus dem Innenministerium in der Wiener Herrengasse. Ressortchef Karl Nehammer (ÖVP) bemühe sich trotz der Verordnung um ein Gentlemans Agreement mit seinem ungarischen Amtskollegen Sándor Pintér für eine Ausnahmegenehmigung für ungarische Beschäftigte im Burgenland. Sprich: Ärzte, Pfleger und andere Tagespendler aus Ungarn ins Burgenland könnten dann weiter aus- und einreisen. Schriftlich fixiert war dazu aber zunächst noch nichts.
Doskozil bekam aus dem Außen- und Innenressort übrigens den Rat, sich von seiner Stellvertreterin „Astrid Eisenkopf updaten zu lassen“. Denn die wisse, dass Innen- und Außenminister seit Wochen mit Ungarn im Gespräch seien.
In Richtung Doskozil meldete sich am Abend ÖVP-Landesgeschäftsführer Patrik Fazekas zu Wort: „Doskozil ist gut beraten sich ein Beispiel an seiner Stellvertreterin zu nehmen, die in den letzten Tagen und Wochen sehr behutsam im Einklang mit der Bundesregierung die notwendigen Maßnahmen gesetzt hat. Der offene Brief sorgt nur für Verunsicherung, und trägt nicht zur Lösung bei. Es ist der falsche Zeitpunkt, um mit dem Schicksal der Leute zu spielen. Lösungen und ein akkordiertes Vorgehen mit der Bundesregierung sollten jetzt auf der Tagesordnung ganz oben stehen.“