Ortschefs rufen Baustopp aus
Von Roland Pittner
„Die Situation ist dramatisch“, sagt Gerhard Dreiszker, Bürgermeister von Bruckneudorf im Bezirk Neusiedl am See. Per Gemeinderatsbeschluss will die 3500-Einwohner-Gemeinde mit Oktober einen Baustopp ausrufen. „Wir kommen mit der Infrastruktur nicht mehr nach“, sagt Dreiszker. Ein Ansuchen, den Sportplatz für Wohnungen umzuwidmen, habe der Gemeinderat bereits abgelehnt.
In den vergangenen 20 Jahren hätte sich die Einwohnerzahl verdoppelt. 120 Wohnungen hat allein die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft in den vergangenen Jahren errichtet. „Diese Anlage ist nur zwei Minuten vom Bahnhof entfernt und in 30 Minuten ist man in Wien am Hauptbahnhof“, sagt Dreiszker. Die Nachfrage nach Wohnraum sei groß, für die Gemeinde aber nicht mehr zu stemmen. „Jeder baut so groß und mächtig, wie es geht, damit möglichst viele Wohnungen untergebracht werden“, kritisiert der Bürgermeister. „Wir haben jetzt noch ein riesiges Bauprojekt in der ehemaligen Erbsenfabrik, das wir mit unserer Infrastruktur noch schaffen“, sagt der Ortschef. Hier ist auch eine neue Volksschule geplant.
Norden hui, Süden pfui
Das Bild im Land ist aber alles andere als homogen: Auf der einen Seite der boomende Norden mit einem Bevölkerungswachstum im zweistelligen Prozentbereich im zehnjährigen Vergleich (siehe Grafik oben), auf der anderen Seite das mit Abwanderung kämpfende Südburgenland, wo nur die Zentren wie Oberwart oder Stegersbach Zuwächse verzeichnen können.
Der Hauptgrund für den steigenden Wohnbedarf im Nord- und teilweise auch im Mittelburgenland liegt in der immer größeren Ausdehnung des Wiener Speckgürtels. Das bekommt auch Hornsteins Bürgermeister Christoph Wolf (ÖVP) zu spüren. In seiner Gemeinde wurden in den vergangenen zehn Jahren rund 200 neue Wohnungen gebaut. Aktuell wohnen in Hornstein etwas mehr als 3000 Menschen – das sind um rund zwölf Prozent mehr als noch vor zehn Jahren.
„Wohnraum für Wien“
„Wir schaffen zum Großteil nur Wohnraum für das Wiener Umland. In den Wohnungen, die in den vergangenen Jahren neu gebaut wurden, wohnen zu 80 Prozent Menschen, die zugezogen sind. Das stört auch viele Hornsteiner, die keine Wohnung bekommen haben“, sagt Wolf, der mit der Schaffung der dafür benötigten Infrastruktur nicht mehr nachkommt: „Die Volksschule hat heuer nur durch eine Sondergenehmigung zweiklassig bleiben können und auch im Kindergarten gibt es kaum freie Plätze, obwohl wir eine zusätzliche Gruppe installiert haben.“ Die einzige Möglichkeit zur Abfederung besteht in der Einhebung eines Infrastrukturbeitrags in der Höhe von zehn Euro pro Quadratmeter bei der Umwidmung in Bauland.
Wenig Möglichkeiten
Auch in Parndorf, das jährlich im Schnitt um 87 Personen wächst, hat der Gemeinderat bereits Schritte gegen die überbordende Zuwanderung gesetzt: Derzeit werden keine neuen Wohngebiete mehr aufgeschlossen. Laut Dreiszker brauche es Regeln. Denn bei der Raumplanung und Bauplanung sei immer mit Abwanderung gerechnet worden, sagt der Bruckneudorfer Ortschef: „Wir im Norden haben wenig Möglichkeiten, solche Bauprojekte zu verhindern.“ In Niederösterreich könnten per Gemeinderatsbeschluss die maximalen Wohneinheiten pro Grundstück begrenzt werden, „das ist im Burgenland nicht möglich“.
Preise steigen vor allem im Norden
Die Immobilienpreise schießen im Nordburgenland seit einigen Jahren in die Höhe. In Zurndorf, Bezirk Neusiedl am See, sind Baugrundstücke nur mehr um mehr als 100 Euro pro Quadratmeter zu haben.
Nur für Zurndorfer gibt es günstigere Grundstücke von der Gemeinde – allerdings mit einer Auflage: Die Käufer müssen bereits drei Jahre in Zurndorf ihren Hauptwohnsitz gehabt haben. „Wir haben Baugrundstücke als Gemeinde aufgeschlossen und verlangen 71 Euro pro Quadratmeter“, sagt Bürgermeister Werner Friedl. Ohne die Auflage wären die Bauplätze schon längst weg, denn „die Nachfrage ist enorm“.
Speckgürtel
Der Speckgürtel rund um Wien sei nicht nur im Nordburgenland spürbar, auch die Bereiche Oberpullendorf und Oberwart profitieren. Viele würden durch die günstigen Preise die Fahrt von etwas mehr als einer Stunde nach Wien in Kauf nehmen. Bei Grundstücken sieht Ziermann hier das größte Potenzial, „es gibt nur wenige gute Bauplätze am Markt, hier könnte es weitere Preissteigerungen geben“.
Im Südburgenland, etwa in Eberau im Bezirk Güssing, kostet der Gemeindeplatz sechs Euro, die Nachfrage ist gering. „Es gibt einen Bauzwang, innerhalb von fünf Jahren zu bauen“, sagt Bürgermeister Johann Weber. Sonstige Auflagen gibt es nicht, hier sei jeder willkommen. „Die Preisentwicklung ist im Norden viel rasanter als im Süden, auch wenn es auch hier Steigerungen gibt“, sagt Günther Ziermann von Z-Immobilien. Güssing und Jennersdorf bilden im Land das untere Preissegment. „Hier leben wir als Makler von der Nachfrage aus den westlichen Bundesländern, die günstigere Lebenserhaltungskosten suchen“, sagt der Immobilien-Experte.