Chronik/Burgenland

"36 Mandatare sind angemessen"

Gerhard Steier (SPÖ) ist seit Sommer 2010 Erster Präsident des Burgenländischen Landtags. Der 56-jährige frühere Bürgermeister von Siegendorf spricht über Anzeigen gegen Politiker, den Fleiß der Abgeordneten und die Rolle von Siegendorf als Politiker-Schmiede.

KURIER: Auch nach Einstellung der Ermittlungen gegen Gerhard Pongracz sind Abgeordnete im Visier der Justiz. Wie viele?
Gerhard Steier: Die genaue Zahl habe ich nicht im Kopf.

Es sind vier Ermittlungsverfahren und eine Anzeige. Können Politiker nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden, oder landet politischer Streit zu schnell vor Gericht?
Ich glaube, dass zu schnell angezeigt wird. Das ist ein gesellschaftlicher Trend. Politische Auseinandersetzungen sollten in der politischen Arena ausgefochten werden. Immunität wird heute anders gehandhabt, im Immunitätsausschuss des Landtags wird jedem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Auslieferung stattgegeben.

Gegen Sie wird rund um behauptete Scheinanmeldungen ungarischer Schüler aus Ihrer Zeit als Siegendorfer Ortschef ermittelt. Schon einvernommen?
Nein. Ich habe ein absolut reines Gewissen, weil ich mir nichts zuschulden habe kommen lassen. Wir hatten auch nie Schülermangel.

Grün-Mandatar Michel Reimon hat zur Kür des Rechnungshofdirektors eine Sachverhaltsdarstellung gegen Sie und andere Spitzenpolitiker an die Anklagebehörde geschickt.
Wenn ein Bestellvorgang des Landtags mit einer Anzeige gegen zahlreiche Personen beantwortet wird, ist das letztklassigst. Ich würde heute nichts anders machen, die Bestellung war korrekt.

Treten Sie zurück, wenn es zu einer Anklage kommt?
Jetzt wird einmal das Verfahren abgehandelt. Was die Ermittlungen ergeben, wird die Staatsanwaltschaft bewerten. Ich sehe keine Veranlassung, zum gegenwärtigen Zeitpunkt darüber Mutmaßungen anzustellen.

Scheinanmeldungen sind nicht ohne Schüler-Limits im Pflichtschulgesetz zu verstehen. Eine Gesetzesänderung schafft der Landtag nicht, ebenso bei der Nebenwohnsitzregelung in der Gemeindewahlordnung. Die populistische Verankerung öffentlicher Wasserversorgung in der Verfassung geht ganz rasch.
Ich würde nicht den Stab über die Parteien brechen. Ich halte es für sinnvoll, die Wasserversorgung in öffentlicher Hand abzusichern. Zudem ist der Landtag sehr wohl bereit, die von Ihnen angesprochenen Fragen zu lösen, dazu braucht es aber einen Parteien-Kompromiss .

Sollen auch Neue Mittelschulen geschlossen werden, wenn die Schülerzahl unter 90 fällt?
Um Schülerzahlen als Maßstab für Erhalt oder Schließung einer Schule wird man wohl nicht herumkommen. Es wird eine Grenze geben müssen, ob das nun 90 oder 100 sind. Wir müssen damit leben, dass es nicht überall alles geben kann.

Sollen nur mehr Hauptwohnsitzer wahlberechtigt sein?
Nein. Pendler, denen Burgenland Heimat ist, die aber in Wien arbeiten und dort ihren Hauptwohnsitz haben müssen, sollten nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen werden.

Wie soll die Nebenwohnsitzregelung klarer definiert werden?
Statt der jetzigen vier Kriterien sollte es höchstens zwei geben. Je breiter die Bedingungen, desto schwammiger wird die Entscheidung.

Werden beide Gesetze noch heuer novelliert?
Ich würde mich nicht auf einen Zeitpunkt festlegen, aber die Parteien haben die Notwendigkeit erkannt.

Wir haben bald Mitte Februar und heuer hat es erst eine Landtagssitzung gegeben – sind die Abgeordneten ihr Geld wert?
Die parlamentarische Arbeit erschöpft sich ja nicht in öffentlichen Sitzungen. Die Kosten für die aktiven Mandatare machen jährlich 3,1 Millionen Euro aus, das ist im Verhältnis zu ihrer tagtäglichen Leistung marginal.

Vor der letzten Landtagswahl wurde über eine Verkleinerung des Landtags von 36 auf 34 Abgeordnete diskutiert. Soll diese Frage wieder aufs Tapet?
Ich gehe davon aus, dass die Frage wieder aktuell wird. Ich halte 36 für angemessen, in keinem Landtag gibt es weniger. Ich bin ein Verfechter der Regionalität, weil wir Bürger so viel direkter erreichen. Und das Burgenland hätte sich nie so gut entwickelt, wären politische Entscheidungen nicht hier vor Ort getroffen worden.

Sie waren Bürgermeister, Nationalrat und sind jetzt im Landtag – die liebste Funktion?
Bürgermeister, das Amt vor Ort ist am ergiebigsten und wirkungsvollsten.

Siegendorf hat wohl die höchste Spitzenpolitiker-Dichte?
Na ja, ÖVP-Nationalrat Oswald Klikovits ist zuge-reist und Grün-Mandatar Michel Reimon sieht man kaum im Ort. Herbert Klikovits als Geschäftsführer im Team Stronach macht das Farben-Potpourri komplett.

Walter Prior, Ihr Vorgänger als Präsident, war zuvor Siegendorfer Bürgermeister. Folgt der aktuelle Ortschef Rainer Porics dereinst Ihnen nach?
Es gibt keinen Anspruch auf dieses Amt, keine Siegendorf-Connection. Man wird immer in ein Amt gewählt.

Sie sind auch Chef der mächtigen Eisenstädter SP-Bezirksorganisation: Soll Hans Niessl 2015 wieder kandidieren?
Ja – und er wird Landeshauptmann bleiben.

Muss es bei den Landesräten Erneuerung geben?
Das diskutiere ich nicht in der Öffentlichkeit, die Entscheidung trifft Niessl.

Möchten Sie nach 2015 Landtagspräsident bleiben?
Die Vielfältigkeit des Amtes erfüllt mich sehr, man kann in dieser Position sehr viel für das Land bewirken – auch hinter den Kulissen.