Chronik/Burgenland

Keine Tierquälerei, wenn sich Stare im Weingartennetz verfangen

„Glauben Sie mir“, wandte sich Heinz Velich geduldig an den Staatsanwalt, „wir beschäftigen uns jeden Tag  damit und wollen sicher  keinem Lebewesen Leid zufügen“. Aber, so der Winzer, niemand könne „100-prozentig verhindern“, dass Vögel  in ein Weingartennetz einfliegen und sich dort verfangen. 

Es war – um im Bild zu bleiben – ein etwas schräger Prozess, den Richterin Karin Lückl am Montag am Landesgericht Eisenstadt führen musste. Ähnlich wie einem Winzerkollegen, der Ende November vor Gericht stand (der KURIER hat berichtet), wurde  Velich zur Last gelegt, dass sich „zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 8. 10. 2020“ (...) 39 Stare, ein Igel und ein Turmfalke in Netzen seiner Weingärten verfangen hätten und „qualvoll verendeten“. Angezeigt wurden die Fälle von einer Seewinklerin, die sich als Naturschutzorgan vorstellte. 

Der Prozess vor zehn Tagen musste vertagt werden, weil nicht klar war, ob es sich überhaupt um den Weingarten des Angeklagten handle. Das Verfahren gegen Velich endete am Montag mit einem Freispruch. Lückl hatte nach zwei Stunden und etlichen Zeugen nicht nur den Eindruck gewonnen, dass es über die Anbringung der Netze selbst in der Fachwelt geteilte Meinungen gebe, sondern vor allem auch, dass Velich „bemüht ist, den richtigen Weg zu gehen und sich sehr wohl Gedanken“ über die Anbringung von Netzen zur Stareabwehr  gemacht habe und sprach ihn im Zweifel frei. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Anzeigenflut

Ob sich noch weitere Winzer verantworten müssen, ist ungewiss, denn insgesamt gab es rund 20 ähnliche Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft. Einige wurden mittlerweile eingestellt, andere mit Diversion erledigt. Anwältin Maria Münzenrieder, die Velich und zuvor dessen Berufskollegen vor Gericht vertreten hat, hofft, dass die Büchse der Pandora nach diesen ersten beiden Prozessen wieder verschlossen ist. Denn wenn solche Anzeigen Schule machten, wäre nicht nur im Burgenland die Existenz vieler Weinbauern ernsthaft gefährdet. 

Tatsächlich hatte es auch in der Verhandlung am Montag Unklarheiten über die Zuordnung von Grundstücken gegeben. Der Staatsanwalt berief sich auf die ermittelnden Polizeibeamten der Inspektion Neusiedl am See, ein als Zeuge geladener Polizist spielte den Ball zurück, die Grundstücksdaten hätten sich schon "in der Ermittlungsanordnung" befunden. Und Vogelschutzexperte Andreas Ranner vom Amt der burgenländischen Landesregierung, der auf Ersuchen der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See erst im heurigen März in einer Stellungnahme die Verwendung der Netze konkretisiert hat, sagte am Montag als Zeuge: Er halte Netze für jede einzelne Rebzeile für am besten geeignet - Velich verwendet doppelte Überwurfnetze über mehrere Rebzeilen. Aber, so der Experte, wenn ein Überwurfnetz "wie ein Käfig straff gespannt" sei, könne auch das funktionieren. Grundsätzlich sei er "froh über jeden Weinbauern, der seine Flächen mit Netzen schützt".