Chronik/Burgenland

Hilfe für das Seelenheil der Burgenländer

Etwa jeder siebente Österreicher ist laut einer Studie von einer psychischen Erkrankung betroffen. Besonders häufig sind Depressionen und Angststörungen.

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor einem Anstieg psychischer Erkrankungen.

In der Versorgung psychisch Erkrankter nimmt das Burgenland jedenfalls eine Vorreiterrolle ein: 1959 wurde, als erste derartige Einrichtung in Österreich, der „Burgenländische Verband zur Fürsorge für Suchtkranke“ als Verein gegründet.

Später wurde der Psychosoziale Dienst (PSD) in den Krankenanstaltenbund Krages eingegliedert. Mithilfe des Psychiatrieplans des Landes (siehe auch Zusatzbericht) wurde an der Umsetzung der flächendeckenden Versorgung gearbeitet.

Der PSD ist mittlerweile in jedem Bezirk vertreten. Heute, Mittwoch, wird in Eisenstadt das 60-jährige Bestehen der Einrichtung gefeiert.

Versorgung ausbauen

„Wir haben das Jubiläum zum Anlass genommen, um alle unsere Konzepte zu evaluieren“, sagt PSD-Geschäftsführer Johannes Zsifkovits im KURIER-Gespräch. Die Bilanz: Die Grundpfeiler des Psychiatrieplanes sollen aufrechterhalten, die ambulante und wohnortnahe Versorgung weiter ausgebaut werden. Denn: „Die Zahl der Patienten steigt jedes Jahr“, sagt der Geschäftsführer.

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Grundsätzlich biete der PSD ein niederschwelliges Angebot für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Mit der E-Card kann das Angebot ohne Überweisung in Anspruch genommen werden.

Außerdem gibt es Hilfe bei Abhängigkeitserkrankungen sowie im Bereich mobiler Hospiz- und Palliativbetreuung.

Gerontopsychiatrie

Wo der Geschäftsführer die Herausforderungen sieht? „Die Gerontopsychiatrie (beschäftigt sich mit älteren Menschen und ihren psychischen Erkrankungen, Anm.) wird sicher in Zukunft ein heißes Thema sein.“ Der PSD wolle künftig nicht nur die Patienten selbst, sondern auch deren Angehörige sowie die Pflegeheime noch mehr unterstützen.

Alkoholkranke

Ein weiteres Vorhaben sei es, ein Konzept im Bezug auf Abhängigkeitserkrankungen auszuarbeiten. Im Osten Österreichs sei etwa die Gefahr an Alkoholismus zu erkranken höher als im Westen. Geplant sei deshalb im Burgenland eine Tagesbetreuung für Alkoholkranke. „Die Patienten sollen tagsüber von einem professionellen Team betreut werden und abends wieder nach Hause fahren.“ Die Behandlungszyklus soll zwischen drei Wochen bis zu neun Monaten dauern, so der Plan.

Psychisch Erkrankte sollen außerdem künftig nach einem stationären Aufenthalt zu Hause Unterstützung durch Fachkräfte erhalten.

120 Mitarbeiter

120 Mitarbeiter sind derzeit fix beim PSD beschäftigt. Dass die personellen Ressourcen steigen werden, bereitet dem Geschäftsführer weniger Kopfzerbrechen: Mit Fachärzten sei der PSD gut ausgestattet. Das liege wohl auch daran, dass „alle Mitarbeiter im PSD auf Augenhöhe im Team arbeiten“. Außerdem gebe es keine Nacht- und Wochenenddienste.

Woran der Geschäftsführer noch arbeiten möchte, ist das Bewusstsein für psychische Erkrankungen. „Ich will, dass der PSD noch bekannter wird. Wenn ich in eine psychiatrische Ambulanz gehe, soll das genauso selbstverständlich sein, als würde ich mir in der orthopädischen Ambulanz wegen Knieschmerzen behandeln lassen.“

 

Kontakt zum PSD

Telefon: 057979 20000
office@psd-bgld.at; www.psd-bgld.at

Interview

Univ.-Prof. Karl Dantendorfer ist Psychiatriekoordinator des Burgenlandes. Der 61-Jährige war bis 2008 Geschäftsführer und Chefarzt des Psychosozialen Dienstes.


KURIER: Was hat sich  im Bereich des Psychosozialen Dienstes verändert?
 Karl Dantendorfer: Im Jahr 2000 hat die Landesregierung den Psychiatrieplan Burgenland beschlossen. Ich habe den Auftrag bekommen, diesen auszuführen.  Es war zu dem Zeitpunkt wenig da. Nach fünf bis sechs Jahren ist die Grundstruktur gestanden. Mittlerweile ist es so, dass der PSD-Burgenland für den ländlichen Raum ein Modell darstellt, das  sich Besucher aus anderen Bundesländern anschauen. Ich wage zu behaupten, dass es kein österreichisches Bundesland gibt, das im ländlichen Raum so stabil und verlässlich versorgt ist wie das Burgenland.

Worauf ist das zurückzuführen?
Auf den außer Diskussion stehenden politischen Willen. Es war von Anfang an so, dass es außer Streit stand, dass die (psychiatrische, Anm.) Versorgung aufgebaut werden muss.   

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In der Kinder- und Jugendpsychiatrie gebe es eine Facharztmangel hört man.
Es wurde immer wieder aufgrund von bewussten Falschmeldungen in Medien berichtet, dass es im Burgenland zu wenig Kinder- und Jugendpsychiater gibt. Wir haben aber mit deutlichem Abstand mehr Kinder- und Jugendpsychiater im ambulanten Bereich als irgendwo sonst in Österreich.

Was sind die größten Herausforderungen im ländlichen Bereich?
Die größeren Distanzen vor allem im Süden und die Anfahrtszeiten. Das erfordert natürlich mehr Ressourcen als im städtischen Bereich. Und es ist am Land schwieriger, bestimmte Berufsgruppen, wie Ärzte, zu rekrutieren. Trotz allem funktioniert es gut, weil wir ein guter Dienstgeber sind und das Betriebsklima ein gutes ist.

Sind psychiatrische Erkrankungen ein Tabuthema?
Ich bin seit fast 40 Jahren in dem Beruf tätig. Ich kann aus eigener Anschauung sagen, dass sich im Bewusstsein der Menschen seither etwas geändert hat. Die wohnortnahe Betreuung psychisch Erkrankter etwa durch pro mente erfolgt auch  in kleinen Ortschaften  gut. Es gibt da im Ort große Akzeptanz.

Was wird das Ziel für die kommenden Jahre sein?
Wichtig ist, dass die Zusammenarbeit etwa mit pro mente, Caritas oder Palliativeinrichtungen  gut funktioniert. In einigen Bereichen wird es aufgrund der Demografie besondere Herausforderungen geben. Die Zahl der Demenzerkrankungen wird steigen. Ein Ziel liegt auch  in der Transitionspsychiatrie. Die Übergangszone von der Betreuung vom Kind zum Erwachsenen muss ausgebaut werden.