"Gemma sondeln": Die (illegale) Lust am Suchen
Von Michael Pekovics
Die Sonne scheint noch warm durch das Blätterdach, unter den Schuhen knacken zerbrechende Äste. Gestört wird die Idylle im Wald nur durch das rhythmische Piepen zweier Metalldetektoren. Die Geräte gehören Stefan T. und Ernst M. (Namen von der Redaktion geändert), zwei Schatzsucher aus dem Burgenland – oder Grabräuber, je nachdem, welchen Standpunkt man einnimmt.
Vor zwei Jahren haben die beiden mit ihrem Hobby begonnen. Seit damals führt es sie regelmäßig in die Wälder und auf die Felder des Südburgenlandes, im Vorfeld wird eingehend recherchiert. „Wir unterhalten uns mit Ortsansässigen oder suchen im Internet nach alten Fotos oder Luftaufnahmen, um frühere Stellungen des Zweiten Weltkrieges ausfindig zu machen“, sagen die beiden beim Fototermin mit dem KURIER. Ihren Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen. Denn das, was sie tun, ist illegal.
„Erwischen darf ich keinen von denen, es handelt sich immer um zwei Tatbestände: Besitzstörung und Diebstahl“, sagt dazu auf KURIER-Anfrage der ob des Themas hörbar verärgerte burgenländische Landesarchäologe Hannes Herdits. Denn die Zahl der Menschen, die in ihrer Freizeit mit Metalldetektoren auf die Suche nach alten Gegenständen gehen, nimmt immer mehr zu. „Ich werde vor allem an Wochenenden oft von Bauern angerufen, die mich fragen, warum auf ihrem Acker Menschen unterwegs sind und etwas suchen.“ Genehmigungen dafür liegen in den seltensten Fällen vor. Auch deshalb, weil ein abgeschlossenes Archäologiestudium Voraussetzung ist, um einen sogenannten Prospektionsbescheid zu erhalten.
„Jeder Staatsbürger hat das Recht zu finden und soll Funde auch melden. Aber das Suchen erfordert einen Bescheid“, sagt Herdits. Schließlich könne man nicht einfach so nach Belieben fremde Grundstücke betreten und nach historischen Gegenständen suchen. „Alles, was unter der Erd- oder der Wasseroberfläche ist, ist Archäologie“, betont der Landesarchäologe. Für ihn gibt es zwei Sorten von Menschen, die dieses Hobby betreiben: „Auf der einen Seite geschichtlich interessierte Menschen, die ihre Umgebung aufmerksam beobachten und uns immer wieder etwas melden. Diese Menschen tragen etwas zum Erhalt der Landesgeschichte bei“, sagt Herdits. „Auf der anderen Seite sind jene, die mit ihren Metalldetektoren herumlaufen, reines Erwerbsinteresse haben und ihre Funde dann am Flohmarkt oder im Dorotheum verkaufen wollen.“
Weltkriege
Stefan T. und Ernst M. sehen sich in diesem Spektrum „dazwischen. Uns geht es nicht darum, historische Stätten zu plündern oder unsere Funde zu verkaufen. Wir wollen die Umgebung, in der wir leben, erkunden und ihrer Geschichte auf den Grund gehen – im Fokus steht dabei aber eher die jüngere Vergangenheit, also die beiden Weltkriege“, sagen die beiden. „Wir haben kein Verkaufsinteresse, uns geht es hauptsächlich um das Hobby. Und wenn wir einmal etwas Bedeutendes finden, dann melden wir das natürlich auch. Gefährliche Gegenstände wie Patronen oder Geschosse geben wir immer bei der nächsten Polizeidienststelle ab.“
Großer Schaden
Für Herdits ist dieses Verhalten dennoch nicht entschuldbar, denn: „Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, dass historische Quellen erhalten bleiben. Diese Herrschaften setzen sich darüber einfach hinweg.“ Immer wieder komme es vor, dass wichtige Funde von unkundigen Personen zerstört werden. „Diese Leute haben die Mentalität eines Jägers oder Kriegers, sie sind auf der Jagd und machen Beute. Dass sie dabei etwas zerstören, kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Diese Jagdmentalität muss raus aus den Köpfen, mittlerweile ist eine regelrechte Industrie entstanden“, sagt der Landesarchäologe.
Stefan T. und Ernst M. lassen sich davon nicht beeindrucken und werden weiterhin ihrer Leidenschaft frönen. Ihr größter Fund bisher waren circa 20 scharfe Patronen und Leuchtspurgeschosse, angezeigt wurden sie noch nie. „Die Archäologie braucht uns ja quasi. Denn wenn nichts gesucht wird, wird auch nichts gefunden.“