„Brauchen einen anderen Tschürtz“
Von Thomas Orovits
Warum hat FPÖ-Landesparteichef Hans Tschürtz beim Parteitag am Sonntag nur 71,4 Prozent der Stimmen erhalten, wer sind die 28 Delegierten, die im Kulturzentrum Oberschützen gegen den seit 2005 amtierenden Frontmann votierten, und was werfen die Unzufriedenen dem 53-jährigen Parteichef, aber auch seinen Stellvertretern Ilse Benkö (59,5 Prozent) und Gerhard Kovasits (53,3 Prozent), konkret vor?
Antworten auf diese Fragen erwartet sich Tschürtz bei einer Sitzung des 20-köpfigen Landesparteivorstands, am Dienstag ab 19 Uhr in Kobersdorf, bei der er die Vertrauensfrage stellen will. Ab welchem Votum er das Handtuch werfen würde, wollte Tschürtz im Vorfeld nicht sagen. Aber: Wenn ihm „maßgebliche Personen“ die Gefolgschaft verweigern, müsste er die „zweite Wahl des Rücktritts“ ins Auge fassen.
Er kenne mittlerweile die Verweigerer und werde sie am Dienstagabend „in aller Ehrlichkeit“ nach ihren Motiven fragen, sagte Tschürtz am Montag zum KURIER. Er wolle niemanden an den Pranger stellen, wundere sich aber immer noch, dass sich vor der Abstimmung niemand ans Rednerpult gewagt habe, um offen zu kritisieren.
„Freunderlwirtschaft“
Der Bad Tatzmannsdorfer Nicka, der von 1987 bis 2000 im Landtag saß und am Sonntag nicht mehr für den Landesvorstand kandidiert hat, ortet die Kritik an der Parteiführung quer durch alle Bereiche und Bezirke, „auch in Mattersburg, dem Heimatbezirk von Tschürtz“. Nicka attestiert dem Parteivorsitzenden „eine unglückliche Hand bei der Personalauswahl“ und wirft ihm „Freunderlwirtschaft“ vor, Namen wollte er freilich nicht nennen. Manchmal erscheine ihm Tschürtz wie ein Bezirksparteichef, aber er sei fürs ganze Land zuständig, moniert Nicka.
Und er rät dem gelernten Polizisten, „nicht nach Verrätern zu suchen“, sondern Tschürtz solle die Fehler für die Wahlschlappe bei sich selbst aufspüren.
Wer kann es besser als Tschürtz? Darauf gibt Nicka eine überraschende Antwort: „Tschürtz selbst, wenn er bereit ist, Ratschläge anzunehmen“. Das blaue Urgestein will „keinen Neuen, sondern einen anderen Tschürtz“ an der Parteispitze. Der Landesparteichef müsse aber auch „kantiger“ werden, verlangt der Altvordere, der bei der Krisensitzung am Dienstag nicht mehr dabei ist.
Ob Nicka glaube, dass Tschürtz den Schuss vor den Bug verstanden habe? „Eher nein, aber wenn er jetzt nicht verstanden hat, tut er mir leid, denn das war eine ordentliche Watsch‘n.“
FPÖ-Landesparteichef Hans Tschürtz sprach mit dem KURIER über seinen Mentor und Parteichef, Durchhalte-Parolen, künftige Berater und frühere Parteifreunde.
„Ich habe seit Sonntag viele Sympathiebekundungen bekommen, auch per SMS. Ich solle doch wegen der 71 Prozent beim Parteitag bloß nicht aufhören, ist der Tenor. Manche haben sogar geweint.“
„Solange man mich möchte und braucht, will ich an der Spitze stehen – das spürt man ja ohnehin. Ich gehe davon aus, dass ich die FPÖ noch einige Jahre führen werde.“
„Ich möchte ein starkes Beraterteam installieren, mit klaren thematischen Zuständigkeiten und einer kantigeren Ausdrucksweise.“
„Das Verhältnis zu Wolfgang Rauter und Manfred Kölly ist gut, sehr sachlich. Man spürt schon eine Sympathie auf einer persönlichen Ebene, wenn man sich unterhält.“
Wenn sich heute Abend die 20 Mitglieder des freiheitlichen Landesparteivorstands in einem Kobersdorfer Gasthaus treffen, „wird alles hinterfragt“, wie es ein Teilnehmer im Vorfeld formulierte. Auslöser für die Krisensitzung, an der von Seiten der Bundespartei auch FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky teilnimmt, war das magere Abschneiden der blauen Landesspitze beim 31. Landesparteitag am Sonntag in Oberschützen.
aus Loipersbach votierten 71,4 Prozent der 103 Delegierten. Erwartet hatte er zwischen „85 und 100 Prozent“, bisher war der seit 2005 amtierende Parteichef zwischen 84 und 91,9 Prozent Zustimmung gelegen. Zwei Stellvertretern erging es noch schlechter, Gerhard Kovasits aus Bruckneudorf kam auf 53,3, die Oberwarterin Ilse Benkö auf 59,5 Prozent – sie nahm die Wahl daraufhin nicht an. Zum KURIER sagte sie, „traurig und nachdenklich“ stimme sie, dass kein Kritiker ans Rednerpult getreten sei. Sie selbst wollte gar nicht mehr kandidieren, Bezirksvorsitz und Finanzreferentin der Landespartei habe sie schon zurückgelegt, bei der Landtagswahl 2015 wird sie nicht mehr antreten.
Der dritte Vize Norbert Hofer kam auf 83,8 Prozent. Als Tschürtz-Nachfolger ist der FPÖ-Bundesvizechef aus Pinkafeld dennoch kein Thema. Hofer, der sich im Spital befindet, soll Dritter Nationalratspräsident werden. Sollte Tschürtz heute zurücktreten, käme der älteste Vize – Kovasits – zum Zug, möglich wäre auch ein geschäftsführender Parteichef.