Flüchtlingsdrama auf A4: Alle Verdächtigen festgenommen
Nach dem Tod von 71 Flüchtlingen in einem in Österreich abgestellten Lastwagen sind nach Informationen aus Bulgarien alle Verdächtigen festgenommen worden. "Alle, die mit der Tragödie verbunden sind, wurden schon festgenommen", sagte Innenministerin Rumjana Batschwarowa am Dienstag im Fernsehsender bTV in Sofia.
Wenige Stunden zuvor hatte es zwei Festnahmen gegeben. Das teilte Verena Strnad, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Eisenstadt (StA) am Dienstag auf Anfrage der APA mit. Bei einer Person handle es sich um jenen Mann, der noch per Europäischen Haftbefehl gesucht worden war. Er wurde in Bulgarien festgenommen.
Indes wurden im Rahmen der nach dem Flüchtlingsdrama auf der A4 am Sonntag gestarteten Kontrollaktion nach Angaben des Innenministeriums vom Montag fünf Schlepper festgenommen und mehr als 200 Flüchtlinge aufgegriffen worden. "Wir wollen Schleppern das Handwerk legen", definierte Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, das Ziel der mit den Nachbarländern koordinierten Kontrollen.
Bilder der Schwerpunktaktion:
Reisepässe sichergestellt
"Es wurden mehrere Reise- und Ausweisdokumente sichergestellt, die die Menschen bei sich hatten. Aufgrund dessen steht die Identität allerdings noch lange nicht fest, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich dabei um deren tatsächliche persönliche Dokumente handelt. Die Obduktionen und Identitätsfeststellungen laufen nach wie vor", sagte Polizeisprecher Gerald Pangl.
Trauermarsch in Eisenstadt
Nach dem Flüchtlingsdrama-Gedenkgottesdienst am Montagabend im Stephansdom in Wien wird auf Facebook derzeit zu einem Trauermarsch in Eisenstadt geladen. Auf Initiative der Refugees in Eisenstadt wolle man gemeinsam vom Domplatz bis zur Landespolizeidirektion in der Neusiedler Straße gehen. "Im stillen Gedenken an 71 Menschen, die hoffentlich ihr Leben nicht umsonst gelassen haben", heißt es in der Veranstaltungseinladung der Pannonischen Tafel, die sich derzeit auch um Flüchtlinge kümmert.
Am Freitag ist seitens der Landespolizeidirektion Burgenland in Eisenstadt eine Pressekonferenz geplant. Eine Einladung an die Medien werde folgen, hieß es.
Die Schwerpunktkontrollen gegen Schlepper in der Ostregion sind auch am Dienstag unverändert weitergegangen. 305 Flüchtlinge wurden am Montag im Burgenland aufgegriffen. "Akute Gesundheitsgefährdungen gab es glücklicherweise keine", sagte Oberstleutnant Helmut Marban am Dienstag zur APA. Zwölf Schlepper wurden seit Beginn der Aktion am Sonntag festgenommen.
Marban befand sich am Dienstagvormittag bei der ehemaligen Grenzstelle an der Ostautobahn (A4) in Nickelsdorf (Bezirk Neusiedl am See). "Die aktuellen Ereignisse in Ungarn zeigten hier bisher keine merklichen Auswirkungen", berichtete der Polizei-Sprecher. So wurden im Laufe des heutigen Tages rund 100 weitere Flüchtlinge - mehrheitlich Syrer - aufgegriffen, was dem "Schnitt der letzten Tage" entsprach. "Die Lage hat sich vorerst nicht verändert", bilanzierte Marban. Die Grundbelastung für die Flüchtlinge war aufgrund der Strapazen natürlich weiterhin hoch.
Die Kontrollen, die sowohl an den Hauptverkehrs- wie auch an den Ausweichrouten durchgeführt werden, beeinträchtigten den Verkehr an der Ostautobahn am Dienstag hingegen kaum. "Der Verkehr entlang der A4 ist fließend, lediglich bei den Lkw-Kontrollen gibt es leichte Verzögerungen", sagte Marban. Was die Aufgriffe und Festnahmen betrifft, so wurden diese mehrheitlich im Bezirk Neusiedl und dort vor allem bei Nickelsdorf durchgeführt: "Amtshandlungen gab es aber im gesamten Einsatzgebiet bis nach Oberpullendorf".
FP-Tschürtz ordnete weitere Kontrollen an
Burgenlands Landeshauptmannstellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ) kündigte am Dienstag weitere Kontrollen an. Er habe Verkehrssicherheitskontrollen im grenznahen Bereich angeordnet, erklärte er am Dienstag vor Journalisten. Die Polizei kann dem aber nicht nachkommen, wie es auf APA-Nachfrage hieß.
Weiters regte Tschürtz bei einer Pressekonferenz in Eisenstadt an, dass das Bundesheer jene nach Österreich kommenden Flüchtlinge, die weiterreisen möchten, in ihr "Zielland" bringen soll. "Es ist an der Zeit, alle Flüchtlinge, welche nicht in Österreich bleiben wollen, dorthin zu bringen, wo ihr Zielort ist."
Tschürtz stellt sich vor, dass die Flüchtlinge mit Sonderzügen oder -bussen in ihr Zielland gebracht werden - und zwar als Assistenzleistung des Bundesheeres. "Das heißt die Assistenzleistung des Bundesheeres soll so weit gehen, dass man sie dort hinbefördert, wo sie hin wollen", sagte der FPÖ-Politiker.
Aufgriffe in Oberösterreich geringer
Die Polizei in Oberösterreich berichtete, dass die verstärken Kontrollen in Ostösterreich offenbar Wirkung zeigen. Obwohl der Fahndungsdruck erhöht worden sei, gebe es weniger Aufgriffe, bilanzierte der Pressesprecher der Landespolizeidirektion David Furtner.
Demnach sind von Sonntag auf Montag 29 Flüchtlinge aufgegriffen und ein Schlepper festgenommen worden. Bis Dienstag früh waren es weitere 31 und ein Schlepper. Diesen hat die oberösterreichische Polizei in Zusammenarbeit mit den bayerischen Kollegen gefasst, auch ein Hubschrauber war dabei im Einsatz.
Diese Zahlen sind deutlich geringer als zuletzt - als pro Tag bis zu 100 Menschen auf der Straße aufgegriffen wurden. Die Polizei überwache jetzt alle Haupt-, aber auch die Nebenrouten, schilderte Furtner. Ihre Aufgabe sei es, das Verbrechen der Schlepperei auf der Straße zu bekämpfen und Menschenleben zu retten. Bei den Zügen mit Flüchtlingen, die ohne Schlepper unterwegs sind, beschränke man sich auf die sicherheitspolizeiliche Absicherung der Bahnhöfe, damit niemand zu Schaden kommt.
Kontrollen auch in der Steiermark verschärft
Insgesamt 20 steirische Polizisten und Polizistinnen sind vorerst für ein Monat bei den Schlepper-Kontrollen im Burgenland und in Niederösterreich als Unterstützung im Einsatz. Auch auf den steirischen Straßen wurden die Kontrollen verschärft, erklärte die Landespolizeidirektion am Dienstag. Ein Ausweichen auf Routen durch die Steiermark sei bisher nicht zu erkennen.
Es gab bisher keine vermehrten Aufgriffe von Flüchtlingen oder Festnahmen von Schleppern.
Ein tschechischer Regionalpolitiker hat mit einem Kommentar über die Flüchtlingstragödie auf der A4 im Burgenland für Empörung gesorgt. Daniel Kalenda von der mitregierenden Volkspartei KDU-CSL kommentierte den Tod der 71 Flüchtlinge auf seinem Facebook-Profil mit schockierenden Worten und sprach von "Pöbel und Dreck", der in Europa "nichts zu suchen" habe. Die Partei distanzierte sich von ihm.
"Mein Gott, 71 Tote auf der Autobahn in Österreich. Sollten wir vielleicht weinen?", schrieb Kalenda auf dem sozialen Netzwerk Facebook. "Die Welt ist angeblich erschüttert, ich trauere aber nicht. Es tut mir nicht leid. Überhaupt nicht! Es handelt sich um Pöbel, Dreck und Elemente, die hier nichts zu suchen haben", so Kalenda laut Medienberichten.
Distanziert
Seine Partei reagierte empört. Parteichef und Vizepremier Pavel Belobradek distanzierte sich deutlich von Kalendas Aussagen. Diese stünden "im Widerspruch zu den Prinzipien unserer Politik", betonte Belobradek, der den Ausschluss Kalendas aus der KDU-CSL in Aussicht stellte. Ein entsprechender Beschluss der Parteiführung wurde am Dienstagabend erwartet.
Entschuldigt
Kalenda selbst entschuldigte sich und begründete seinen mittlerweile gelöschten Kommentar mit Trunkenheit. "Weniger saufen, mehr denken und erst dann etwas tun", versprach der Politiker aus dem nordböhmischen Liberec (Reichenberg) und trat von seinen Parteiämtern zurück.