Chronik/Burgenland

Ende der 70-jährigen Zwangsehe

Nach Vorarlberg, Tirol, Salzburg und der Steiermark (ab 2015) schafft auch das Burgenland den Proporz ab. Wie der KURIER schon gestern berichtete, haben sich SPÖ und ÖVP, die seit 1945 gemeinsam in der Landesregierung sitzen, auf eine umfassende Reform der Landesverfassung geeinigt. Ab der nächsten Landtagswahl im kommenden Frühjahr ist damit nicht mehr jede Partei ab einem Stimmenanteil zwischen 12 bis 15 Prozent automatisch in der Regierung vertreten, sondern wie im Bund regiert dann auch im Burgenland die freie Koalitionsbildung. Die Reform, über die seit Jahresbeginn verhandelt wurde, soll im Dezember im Landtag beschlossen werden und mit 1. Jänner 2015 in Kraft treten. Mit 31 von 36 Abgeordneten verfügen Rot und Schwarz locker über die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit.

"Gemeinsam ist es gelungen, die modernste Landesverfassung Österreichs auf den Weg zu bringen. Gewinner sind nicht die Parteien, sondern die Burgenländer", frohlockten Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und ÖVP-Vizelandeshauptmann Franz Steindl (ÖVP), als sie Dienstagmittag mit den Klubchefs Christian Illedits und Rudolf Strommer die Details im Güssinger Technologiezentrum präsentierten – beide Regierungsparteien haben ihre Klubklausur Anfang der Woche getrennt voneinander im Südburgenland abgehalten.

Die Opposition reagierte weniger euphorisch und fühlt sich auf den letzten Verhandlungsmetern ausgebootet. FPÖ-Klubchef Hans Tschürtz: "Ich bin sehr irritiert, über eine Zustimmung entscheiden wir erst Ende der Woche" (siehe Zusatzbericht).

Details

Künftig soll die stimmenstärkste Partei zu Gesprächen über die Regierungsbildung einladen. Die Zahl der Regierungsmitglieder wird erst ab der übernächsten Wahl 2020 fix von derzeit sieben auf fünf Mitglieder reduziert. 2015 sind fünf bis sieben Mitglieder möglich, die Zahl bestimmt der Landtag, der nun doch nicht verkleinert wird. Unverändert bleibt auch die Zahl der Landtagspräsidenten, deren Nominierung Teil der Koalitionsverhandlungen wird. Die drei Präsidenten werden jeweils mit einfacher Mehrheit im Landtag gewählt. Nicht ausgeschlossen, dass ein Präsident – wie in Salzburg – der Opposition überlassen wird. Klubstatus haben Parteien in Hinkunft erst ab drei Mandataren (bisher: zwei), künftig erhalten aber auch einzelne Abgeordnete ein eigenes Büro samt Infrastruktur.

Apropos kleine Fraktionen: Künftig kann ein Viertel der Mandatare einen Untersuchungsausschuss einsetzen, die Leitung übernimmt ein Richter.

Die Vorzugsstimmenhürde von 15 Prozent der Parteistimmen fällt. Pro Bezirk kann ein Mandatar, der die meisten Vorzugsstimmen erhält, in den Landtag gewählt werden. Ein zweiter Wahltag neun Tage vor dem Wahltermin wird eingeführt und der Landes-Rechnungshof darf ab 2015 alle 171 Gemeinden im Land prüfen.

Nicht alle Oppositionsparteien sind mit der Verfassungsreform so glücklich wie die Regierungspartner SPÖ und ÖVP, Kritik üben vor allem Blaue und Grüne.

FPÖ-Landesparteichef Hans Tschürtz ist "sehr irritiert", dass man kurz vor dem Ziel nicht noch einmal die drittstärkste Partei im Landtag informiert habe: "Das tut man nicht." Nach dem Vorgehen der Großparteien müsse es "nicht unbedingt eine Zustimmung" zur Reform geben, sagte der blaue Klubchef. Am Freitag werde man im Rahmen einer Klubklausur in Hagensdorf, bei der auch Generalsekretär Herbert Kickl anwesend sei, entscheiden, sagte Tschürtz zum KURIER.

"Verärgert" reagierte auch Grünen-Landessprecherin Regina Petrik. Sie wähnte sich noch in den Parteienverhandlungen und wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. "Wir hatten vorige Woche ein Gespräch mit der SPÖ, mit der ÖVP ist noch eins offen." Eine Zustimmung zumindest zu Teilbereichen der Reform kann sie sich dennoch vorstellen.

Der Stimme des einzigen Abgeordneten der Liste Burgenland, Manfred Kölly, können sich Rot und Schwarz sicher sein. Auch wenn er an einzelnen Punkten Kritik übt. Kölly will außerdem mitregieren. Skeptischer LBL-Kollege Wolfgang Rauter, die Verkleinerung der Regierung erst 2020 sei ein "Scherz".

Die nicht im Landtag vertretenen Neos und Team Stronach äußerten sich grundsätzlich positiv zur Abschaffung des Proporzes.