Eine Weltverbesserin mit gutem Geschmack
Stellen Sie sich vor, Sie leben mit drei Kindern am Land und verzichten auf das Auto. Sie haben eine fünfköpfige Familie zu ernähren, produzieren dabei aber nur eine Handvoll Müll pro Monat. Und mit 54 Jahren wagen Sie den Schritt in die Selbstständigkeit. Dass funktioniert, was fast unmöglich scheint, hat Dorothea Kocsis in ihren Selbstversuchen bewiesen.
Seit Jahren engagiert sich die 58-Jährige für den Schutz der Umwelt und für eine bessere Lebensqualität. Eine Querdenkerin sei sie schon immer gewesen, schildert die gebürtige Oberösterreicherin, die mit ihrer Familie in Unterpullendorf (Bezirk Oberpullendorf) lebt.
Vor 17 Jahren war es so weit: „Da habe ich mein erstes Projekt ’Ein Jahr lang ohne Auto’ gestartet. Ich war damals nach dem Studium (Dorothea Kocsis studierte Musik und Geschichte auf Lehramt, Anm), Familiengründung und Hausbau in einem guten und bequemen Leben angekommen.“
Doch als die „ersten schaurigen Berichte“ über den Klimawandel durch die Medien gingen, habe sie das sehr betroffen gemacht.
Ein Zeichen gesetzt
„Da habe ich beschlossen, ein kleines, persönliches Zeichen zu setzen. Einfach sei das nicht gewesen. An einem kalten Wintertag mit drei Kindern und dem Kinderwagen per Bus in die Musikschule zu fahren, das sei herausfordernd gewesen, nennt Kocsis ein Beispiel aus dem Alltag von damals. Ihre Erfahrungen schildert sie im Buch „Ein Jahr ohne Auto.“ (PlanetVerlag 2007).
Ausgezeichnet
Es sollte nicht das einzige Projekt im Sinne des Klima- und Umweltschutzes bleiben. Kocsis versuchte auch ein Leben „Ohne Zucker“, „Ohne Girokonto“, „Ohne Supermarkteinkauf“, und „Ohne Müll“. „Für das letzte Projekt wurde mir der ’Goldene Mistkäfer’ vom Burgenländischen Umweltdienst verliehen.“
Projekte zeitlich begrenzt
Das Erlebte hat Kocsis in weiterer Lektüre (erschienen im PlanetVerlag) festgehalten. Zurück in die Steinzeit – das sei aber nie ihr Ziel gewesen. „Deshalb waren die Projekte immer zeitlich begrenzt.“
Wer denkt, das wars, der irrt. Im Alter von 48 Jahren zog die AHS-Lehrerin einen Schlussstrich unter ihre bisherige Karriere. Sie hätte jeden Tag nach Wien pendeln müssen, ein Burn-out drohte. „Irgendwann hab ich gesagt: Ich will burgenländische Hochzeitsbäckerin werden.“ Mit 52 Jahren wagte sie den „Quereinstieg“.
Ein roter Faden
In der Berufsschule Graz drückte Frau Magistra zwei Jahre lang die Schulbank: „Nach zwei intensiven Lernjahren habe ich die Meisterprüfung abgelegt und mich selbstständig gemacht.“
In „Dorlis Backstube“ beweist die frischgebackene Konditormeisterin nicht nur guten Geschmack, wie ihre Kundschaft bestätigt. Gebacken wird auf Wunsch der Kundschaft unter anderem in Bio-Qualität, gluten- und laktosefrei oder vegan.
Und das Thema Nachhaltigkeit zieht sich wie ein roter Faden weiterhin durch Küche, Haus und Garten.
Selbstversorgerin
Dazu gehört auch so weit als möglich ein Leben als Selbstversorgerin. „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, das Gemüsegarteln und Tierehalten macht mir Freude.“ Obst und Gemüse wachsen im eigenen Garten, Eier kommen von den Hühnern, zeitweise hält sie Ziegen, die der Familie auch Milch liefern. Beim Einkauf wird auf Regionalität und Bio-Qualität geachtet.
An Lebensqualität gewonnen
Reich in pekuniärer Hinsicht könne sie als Einzelunternehmerin nicht werden – „doch ich habe an Lebensqualität gewonnen.“
Mit Rad und Tramperrucksack
Oftmalige Großeinkäufe für die Backstube gibt es nicht. „Ich fahre so oft als möglich mit dem Fahrrad zum Einkaufen, oder reise dafür mit Öffis und Klimaticket nach Wien.“ Verstaut wird der Einkauf im Tramperrucksack. Ein, zwei Mal pro Jahr wird das Auto für Großeinkäufe gestartet.
Verpackungsmaterial versucht die Unternehmerin zu vermeiden, Backwaren und Pralinen offeriert sie im Karton oder in Bio-Zellglassäckchen. „In meinem Kopf hat sich aus all den Projekten ein Bewusstsein für nachhaltige Prinzipien entwickelt, die spiegeln sich in meinem Arbeitsalltag wider.“
Was ihre Familie dazu sagt? „Sie unterstützen mich.“ Die erwachsenen Kinder helfen etwa beim Marketing für die Backstube mit.
Mit Öffis auf eine Insel
Kocsis’ Ehemann Andreas, er ist Cellist in der Volksoper, verzichtet auch auf das Auto. Um an seine Arbeitsplatz zu gelangen, fährt mit dem Rad zum Bahnhof nach Deutschkreutz und nimmt dann den Zug nach Wien. Im Sommer unternimmt das Paar eine Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf eine autofreie Insel in Kroatien.
Backkurse für Kinder
„Immer Neues lernen“, lautet das Erfolgsrezept der 58-Jährigen und sie gibt einen Vorgeschmack auf ihr neues Projekt: In Kursen will die gelernte Pädagogin ihr Wissen um die Backkunst und zum Thema Nachhaltigkeit an Kinder weitergeben - dorlisbackstube.com