Wie ein Winzerpaar das Bierbrauen entdeckt hat
Von Paul Haider
In Österreichs östlichster Ortschaft weht ein kräftiger „Westwind“. Das ist nämlich der Name jener Kleinbrauerei in Deutsch Jahrndorf, die sich unter Bier-Kennern immer größerer Beliebtheit erfreut.
Dahinter stecken Julia Roth und Gabriel Manahl, die in der kleinen Ortschaft im Dreiländereck die Brauerei und das Weingut Roth betreiben.
Weinbaubetriebe sind auf der Parndorfer Platte ja eher Ausnahmeerscheinungen. Während die mineralischen Sand- und Schotterböden im Seewinkel ideale Voraussetzungen für Weingärten bieten, eignen sich die Gründe auf der Parndorfer Platte besser für den Ackerbau. So erklärt sich auch, warum die Weingärten des Deutsch Jahrndorfer Weinguts in Halbturn stehen.
„Ich wollte eigentlich nie Wein machen“, sagt Julia Roth lachend beim Besuch des KURIER in Deutsch Jahrndorf. Doch als ihr Vater vor fünf Jahren verkündet, den Weinbau aufgeben zu wollen, setzt ein langsamer Sinneswandel ein: „Wein hat immer schon zu unserer Familie gehört und dann wurde mir klar, dass ich das doch gerne weitermachen würde“, erzählt Roth.
An ihr abgeschlossenes Landschaftsplanungsstudium hängt Julia noch einen Master in Weinbau an, und ab 2016 startet das Weingut Roth unter neuer Führung durch. Zur Seite steht Julia ihr Lebensgefährte Gabriel Manahl. Er stammt aus Vorarlberg, kennengelernt haben sich die beiden in ihrer Studienzeit. Mittlerweile ist er stolzer Wahl-Deutsch Jahrndorfer.
Faszination Bier
Von ihm stammt auch die Idee, den Betrieb um eine Kleinbrauerei zu erweitern. Die Faszination am Bierbrauen hat Gabriel an einem Ort entdeckt, der in Europa nicht unbedingt als die Hochburg des Gerstensaftes bekannt ist – in den USA.
„Ich habe eine Zeit lang in einer kleinen Stadt in Oregon gearbeitet und war sehr von der dortigen Bierkultur fasziniert. Da hat es um die 20 Kleinbrauereien gegeben und die Qualität war enorm“, erzählt der Vorarlberger. Es dauert nicht lange, bis er seine burgenländische Partnerin von der Idee überzeugt, das Weingut Roth um eine eigene Brauanlage zu erweitern.
Was folgt, ist eine Phase des Experimentierens: Lange wird an den Rezepturen der bierigen Kreationen getüftelt. Zirka 40 Testreihen führt das Paar durch, aus denen die jetzigen vier Hauptsorten der „Westwind“-Brauerei hervorgegangen sind. Ganz wichtig für die Neo-Braumeistern ist, dass dabei nur regionale Bio-Zutaten zum Einsatz kommen – von exotischen Hopfensorten, die für spezielle Bierstile gebraucht werden, einmal abgesehen.
Kostproben von „Westwind“ gibt es in sieben Lokalen in der Region (z. B. „Barrique“ in Gols, „La Takeria“ in Neusiedl)
Erhältlich ist das Bier auch an vier Selbstbedienungskühlschränken (Alterskontrolle mit Führerschein) in Deutsch Jahrndorf, Jois (Winzerhof Lentsch), Halbturn (Weingut Kiss) und St. Andrä (Obstbau Leeb). Mehr Infos: westwindbrauerei.com
Gebraut wird in einem Container vor dem Weingut, im Stadel darf das Bier dann sechs bis acht Wochen in den Reifetanks verbringen – das ist wesentlich länger als in der Branche üblich. „Wir machen ein Bier, das die Zeit hat sich selbst zu entwickeln. Unsere Luxuszutat ist Zeit. Das Produkt wird runder und harmonischer wenn man ihm die Zeit gibt zu reifen“, erklärt Manahl.
Bierverkauf kompensiert Ernteausfälle beim Wein
Als zweites Standbein hat sich das Bierbrauen für das Deutsch Jahrndorfer Paar, das ohne weitere fixe Mitarbeiter auskommt, mittlerweile bewährt. Es stellt auch eine gewisse Absicherung dar, wenn es in den Weingärten einmal zu Ernteausfällen kommt, wie es durchaus schon der Fall war: „Unser erster Jahrgang hatte 60 Prozent Ausfall durch Frost“, erinnert sich Julia Roth.
Sowohl Wein als auch Bier wollen die beiden auch in Zukunft nur in überschaubaren Mengen produzieren. Der Vertrieb beschränkt sich im Wesentlichen auf die nähere Umgebung. Das „Westwind“-Bier gibt es mittlerweile in sieben Lokalen in der Region und an vier Selbstbedienungskühlschränke (siehe Infobox) zu kaufen. Am besten schmeckt es aber bei einer Verkostung direkt vor Ort im beschaulichen Deutsch Jahrndorf.