Land will sich an früherem Primar schadlos halten
Von Thomas Orovits
Die Ärztekammer Burgenland ist alarmiert: In einem Rundschreiben „an alle angestellten Ärzte der Akutkrankenanstalten“ , das dem KURIER am Karfreitag anonym zugegangen ist, wird den rund 500 Spitalsärzten „dringlich“ der Abschluss einer Haftpflichtversicherung angeraten. Anlass für die vorösterliche Aufregung: Das Land hat im Zusammenhang mit einem Fall aus dem Jahr 1990 eine Regressklage nach dem Dienstnehmer-Haftpflichtgesetz gegen einen ehemaligen Primarius des Krankenhauses Oberpullendorf eingebracht.
Die Standesvertretung fürchtet, das könnte Schule machen und dazu führen, „dass sich Kollegen überlegen werden, ob sie ihre ärztliche Tätigkeit überhaupt im Burgenland aufnehmen sollen“ . Die landeseigene Krankenanstaltengesellschaft (Krages), die damals noch nicht existierte, will allen Ärzten in den nächsten Tagen ihre Sicht der Dinge darlegen und dabei vor allem auf den konkreten Fall hinweisen.
Welcher konkrete Fall? Der Gynäkologe Wolf Jaskulski, einer der Wegbereiter der sanften Geburt, wurde im Juni 1993 am Landesgericht Eisenstadt wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen und einer fahrlässigen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt – auch zwei Hebammen mussten eine Geldbuße leisten. Unter Jaskulskis Leitung war es in der gynäkologischen Abteilung des Oberpullendorfer Spitals zu Geburtskomplikationen gekommen. Im Prozess hatte ein Sachverständiger von der großen Arbeitsbelastung Jaskulskis gesprochen, der Arzt selbst verweist darauf, die Komplikationsrate in Oberpullendorf sei unter dem Bundesschnitt gelegen.
Zivilprozess im Juni
Worum es jetzt geht, ist die fahrlässige Körperverletzung aus dem Jahr 1990; ein damals geborenes Mädchen ist seither behindert. Die Familie fordert für die mittlerweile bald 28 Jahre alte Frau den Verdienstentgang – nach KURIER-Informationen soll es sich um eine Sofortzahlung von 60.000 Euro und eine laufende Rente handeln. Dass ihr das zustehe, sei bereits außer Streit gestellt, heißt es von informierter Seite. In einem Zivilprozess am Landesgericht Eisenstadt soll am 6. Juni nur noch geklärt werden, wer zahlen muss – das Land oder Jaskulski.
Denn die Versicherung des Landes habe zwar Pflege- und Therapiekosten getragen, darüber hinausgehende Leistungen würden aber nicht mehr übernommen – deshalb will sich das Land jetzt am ehemaligen Primar schadlos halten.
Was würde das für den mittlerweile 77-jährigen Mediziner bedeuten? „Wenn ich verliere, werde ich bis aufs Existenzminimum gepfändet“, sagt Jaskulski zum KURIER. Er erhalte eine ASVG-Pension, seine Frau bekomme keine eigene Altersrente.
Entscheidend könnte die Frage nach der Fahrlässigkeit werden. Während Jaskulski darauf pocht, das Gericht habe 1993 keine grobe Fahrlässigkeit konstatiert, dürfte die Gegenseite anders argumentieren – bei Fahrlässigkeit werde nicht graduell unterschieden und die Haftpflichtversicherung würde in diesen Fällen nie zahlen.