Zukunftsweisend: Mies Van der Rohe Award
Von Claudia Elmer
Jede Branche hat ihre Trophäen: Was der Oscar für die Filmbranche, ist der "Mies van der Rohe Award" für die Architektur. Er ist die wichtigste Auszeichnung für zukunftsweisende Bauwerke in Europa. Az W-Direktor Dietmar Steiner bezeichnete den Award jüngst als "Seismograf aktueller Entwicklungen".
Nicht zu Unrecht: Die Prämierten gelten als Gradmesser für zeitgenössische Architektur. Und sie zeigen, wie vielfältig Bauaufgaben heute sind: von Konzert- und Lagerhallen über Museen, Wohnhäuser, Gesundheitszentren, Bürogebäude bis hin zum Flughafen und der Bibliothek reichen die gezeigten Projekte.
Prominente Architekten und aufstrebende Büros
Prominente Architekten – darunter einige der erfolgreichsten unserer Zeit wie David Chipperfield, Bernard Tschumi, Zaha Hadid und Jean Nouvel – machen mit. Aber auch aufstrebende Büros wie Martine de Maeseneer und Dirk Van den Brande oder Ramon Bosch und Bet Capdeferro sind vertreten.
Seit 1987 wird der Award alle zwei Jahre von der Europäischen Kommission und der Mies van der Rohe Fundació in Barcelona vergeben. 2011 wurde das Preisgeld von insgesamt 80.000 Euro (davon gehen 60.000 Euro an den Gewinner) zum 12. Mal ausgelobt. Die besten Projekte wandern seither durch Europa. Bis 8. Oktober werden sie im Architekturzentrum Wien (Az W) ausgestellt. 45 der 343 Einreichungen werden mit Plänen, Fotos und Modellen vorgestellt. Ergänzt wird die Ausstellung durch Nominierungen mit österreichischer Beteiligung, wie etwa das Stift Altenburg, der Murturm, das Hotel am Linzer Domplatz oder das MUMUTH in Graz.
Das Siegerprojekt stammt aus dem Büro von David Chipperfield. Der britische Stararchitekt (der auch das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck und das neue "Weltstadthaus" des Textilkonzerns Peek & Cloppenburg in Wien gebaut hat) wurde für die Rekonstruktion und Erweiterung des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel ausgezeichnet. Was die Jury überzeugt hat, war der sensible Umgang mit der 150 Jahre alten Substanz. Der Wiederaufbau des Weltkulturerbes, das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde, begann im Jahr 2003. Gemeinsam mit Julian Harrap, einem Spezialisten für Restaurierungen, hat David Chipperfield ein Konzept entwickelt. Sie haben die schadhaften Teile sensibel renoviert und mit modernen Elementen kombiniert. Das Ergebnis: Unverputzte, alte Ziegelmauern treffen auf glatt polierte Betontreppen. Antike Säulen ruhen auf frischem Estrich. "Alt mit Neu" und nicht "Aus Alt mach Neu" lautete die Devise. Chipperfield setzt damit einen Maßstab für die Sanierung von historisch bedeutsamen Bauwerken.
Die Sonderauszeichnung "Emerging Architects" richtet sich an besonders talentierte Nachwuchs-Architekten. Im vergangenen Jahr waren es Ramon Bosch und Bet Capdeferro . Wie Chipperfield haben sie ein baufälliges Gebäude wiederbelebt – und zwar in der spanischen Stadt Girona, wo sie das "Collage Haus" in ein zeitgemäßes Wohnhaus für eine Architekten-Familie verwandelt haben. Bei der Auswahl der Baustoffe orientierten sich Bosch und Capdeferro an den vorhandenen Elementen wie etwa schmiedeeisernen Fenstergittern oder historischen Mosaik-, und Steinflächen. Zudem haben sie aus anderen Altbauten stammende Hölzer und Fliesen verarbeitet.
Zu den besten Einreichungen zählt auch Zaha Hadids Monsterprojekt MAXXI in Rom. Schwebende Bänder, verschachtelte Treppenaufgänge, Farbkontraste und schräge Formen sind ihre Spezialität – daran lässt das gigantische Kunsthaus keinen Zweifel.
Aber es ist nicht nur die Konstruktion aus Zement, Glas und Stahl, die beeindruckt. Folgende Zahlen machen die Dimensionen deutlich: Der Innenraum des Museums misst 21.000 Quadratmeter, knapp die Hälfte macht die Ausstellungsfläche aus. 1,25 Millionen Arbeitsstunden wurden für den Bau aufgebracht, 150 Millionen Euro wurden investiert.
Braun-Golden schimmert die Fassade des Rehazentrums Groot Klimmendaal in den Niederlanden. Koen van Velsen Architekten haben es mit diesem Beitrag unter die Top 6 geschafft. Die Außenhaut aus eloxiertem Aluminium fügt sich in die hügelige Waldlandschaft ein und die großen Fenster spiegeln das Grün der Bäume wider. Innen schaffen rote, grüne und gelbe Lichtkuppeln knallige Farbakzente.
Hervorstechend ist auch das BRONKS Jugendtheater in Brüssel von Matine De Maeseneeer und Dirk Van den Brande. Oder Jean Nouvels Konzerthaus in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen und Bernard Tschumis Acropolis Museum in Athen, das 14.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche für antike Kunst bietet.
Die Beispiele reflektieren das bauliche Geschehen der vergangenen Jahre in Europa. Gemeinsam ist ihnen eine innovative Architektur. Davon überzeugen kann man sich bis 8. Oktober im Az W in Wien.