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Von der Weide ins Wohnzimmer

In der großen Halle geht es drunter und drüber – im wahrsten Sinn des Wortes: Lose Fäden bewegen sich auf und nieder, Schiffchen gleiten lautlos hin und her. Walter Aigner, Geschäftsführer von Tisca, ist zufrieden: "Bei uns wird jedes Garn von Hand durch den Webstuhl gezogen. Das hat einen großen Vorteil: Jedes Stück wird zum Unikat. Das kann man etwa an den Kanten gut erkennen: Alle sehen unterschiedlich aus."
Vor knapp 20 Jahren hat der Vorarlberger seinen Betrieb in das rumänische Heltau verlegt. Sanfte, grasbewachsene Hügel treffen auf gebirgige Höhenkämme, Kirchenburgen recken ihre schlanken Türme aus dichten Eichenwäldern empor. In der Ferne ragen die Karpaten-Gipfel hoch in den Himmel. Doch nicht die beschauliche Landschaft zog den Geschäftsmann nach Transsilvanien. Sondern die Geschichte seines Familienunternehmens, die mehr als 50 Jahre in die Vergangenheit zurückreicht.

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Mitte der Sechziger gründete Aigners Vater zusammen mit Anton Tischhauser die TeppichmanufakturTisca in Thüringen in Vorarlberg. Das Geschäft florierte, bis Ende der Neunziger wegfallende Großaufträge und fehlendes Personal der Firma zu schaffen machten. Als Aigner die Geschäfte kurz vor der Jahrtausendwende übernahm, konnte er die Firma nur durch einen Umzug retten.
Tischhauser hält bis heute die Mehrheit und stellt in der Schweiz unter dem NamenTisca hochwertige Teppichböden her. Aigner hat seinen Teil der Produktion nach Siebenbürgen verlegt und fertigt in Heltau unter dem NamenTisca Handmade Rugs.
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Die rumänische Kleinstadt verbindet mit Vorarlberg mehr, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Auch sie blickt auf eine lange Textiltradition zurück: Bis zum Ende der Vierzigerjahre waren über 150 textilverarbeitende Betriebe in Cisnadie, so der rumänische Name Heltaus, angesiedelt. Später wurden sie zur Covtex zusammengefasst – eine große Textilproduktion, in der 5000 Menschen Arbeit fanden bis der Betrieb nach der Revolution in den 90er-Jahren zusammenbrach. Als Aigner 1998 erstmals nach Rumänien kam, bot sich ihm eine gute Ausgangslage: Leistbare Löhne und gut ausgebildete Fachkräfte, die auf Arbeitssuche waren.

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Obwohl sich seit dem Umzug vieles verändert hat, an traditionellen Methoden – der Leinwandbindung etwa, einem der ältesten Verfahren überhaupt – hält Aigner auch in Zukunft fest: "Das macht die Teppiche beidseitig verwendbar", sagt er. Beinahe museumsreif sind auch die Geräte – computergesteuerte Maschinen sucht man nämlich vergeblich: "Wir arbeiten mit traditionellen, halb automatischen Webstühlen aufgelassener Webereien. Damit können wir fast jedes gewünschte Maß herstellen und die Produkte an die Wünsche unsere Kunden anpassen." Die Dimensionen reichen von fünfzig Zentimeter bis zu sechs Meter Breite und zwanzig Meter Länge. Sogar die Form – eckig, rund oder oval – kann individuell gewählt werden.
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Weil Tisca seine Garne selber zwirnt und walkt, sind auch viele unterschiedliche Muster und Stile möglich. 96 Farben in allen möglichen Tönen und 26 Strukturen bestimmen die Produktpalette insgesamt. Großen Wert legt Aigner zudem auf die Zutaten: "Wir verarbeiten hauptsächlich Wolle aus Neuseeland. Sie zeichnet sich durch eine feine Struktur aus und ist zugleich sehr widerstandsfähig. Das macht die Produkte besonders langlebig. Seit Kurzem fertigen wir zudem unter dem Bio-Siegel GOTS (Global Organic Textile Standard) Teppiche an." Über 250 Tonnen Wolle von bis zu 80.000 Schafen werden pro Jahr zu rund 60.000 Teppichen verarbeitet.
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Der neueste Coup gelang in Kooperation mit den Designerinnen Annelie Tegelberg und Elke Fiebig: Sie haben eine Methode zur Ikatfärbung mit Pflanzenfarben entwickelt. Die ersten Serien werden ab kommendem Jahr bei Fachhändlern erhältlich sein.

Die Imageprobleme, mit denen Bodenbeläge vor einigen Jahren noch zu kämpfen hatten, sind heute kaum noch Thema. Längst sind sie wieder in den Wohnraum zurückgekehrt. Auch die Sorge, Wollteppiche seien schlecht für Allergiker, ist unbegründet. Aigner: "Wolle kann die Raumluft sehr gut regulieren: Sie kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben." Auch die Staubbelastung in der Luft sinkt: "Wollteppiche binden den Staub, der dann einfach abgesaugt werden kann. Das kommt besonders Allergikern zugute." Der natürliche schmutz- und wasserabweisende Fettgehalt macht das Material zudem überaus robust. "Waschen ist dank der selbstreinigenden Eigenschaften kaum nötig. Um die Beanspruchung gleichmäßig zu verteilen, sollte man zweimal im Jahr drehen und wenden", rät Aigner.
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Man darf also aufatmen. Und Räume guten Gewissens mit Wollteppichen schmücken. Das schützt vor Kälte, schmeichelt den Füßen, verbessert die Akustik und machen das Zuhause viel gemütlicher, vor allem in der kalten Jahreszeit.

www.tisca.at