Neues aus Vorarlberg: Das Wohnhaus eines Architekten und seiner Familie fügt sich nahtlos in die ländliche Umgebung des Pfänderhangs ein.
"Wenn Bauherr und Architekt in einer Person vereint sind, dauert es meist etwas länger", resümiert Helmut Dietrich. "Einerseits stellt man das eigene Projekt oft hinten an, andererseits fallen die Entscheidungen nicht so leicht wie sonst." Mehr als ein Jahr hat er in die Planung investiert, weitere eineinhalb Jahre in die Umsetzung. Doch der Bauherr sieht das gelassen: "Wir sind sehr froh, diesen Schritt gemacht zu haben", sagt Dietrich. "Es war gut, sich beim Planen und Bauen Zeit zu lassen."
Zuvor hat die Familie in einer Penthouse-Wohnung im Zentrum von Bregenz gewohnt. Weil der Platz zu knapp wurde, suchte sie nach einer neuen Lösung – und zwar nach einem Grundstück mit Altbestand: "Vor dem Hintergrund der Nachverdichtung erschien uns ein Umbau besser als ein Neubau", erzählt der Architekt. Doch die Suche blieb erfolglos. Als quasi über Nacht ein Grundstück auf dem Pfänderhang zum Kauf angeboten wurde, nutzten sie die Chance: "Das ist eine sehr seltene Gelegenheit", sagt Dietrich, "da mussten wir zugreifen."
Der Bauplatz orientiert sich nach Norden mit Blick auf den See und steigt im Süden an. Angesichts der eingeschränkten Bebauungsfläche musste das gewünschte Raumprogramm auf drei Geschoßen realisiert werden. Das Gelände sollte dabei möglichst unverändert bleiben, vielmehr sollte sich das Gebäude an den Hang anpassen. Dietrich: "Die beiden unteren Geschoße stehen in Kontakt mit dem Erdreich und sind in Sichtbeton ausgeführt. Das obere Geschoß und das Dach sind aus Holz aus dem eigenen Wald."Der Zugang erfolgt über die unterste Ebene, wo ein galerieartiges Entreé für ein besonderes räumliches Erlebnis sorgt. Eine Wasserfallstiege lenkt den Blick quer durchs Haus und bringt viel Licht von oben nach unten. Sie führt in den ersten Stock, wo Kinder- und Gästezimmer untergebracht sind. Von hier aus gelangt man auch direkt in den Garten.
Darüber thront der offene Wohnbereich. "Es war uns wichtig, dass sich das Wohnen wieder ganz oben abspielt. Das sind wir von unserer Penthouse-Wohnung gewohnt", sagt Dietrich und nennt noch einen weiteren Vorteil: "Wir können die Aussicht wahren, selbst wenn jemand vor uns baut." Auch das Elternschlafzimmer ist hier untergekommen – aus strategischen Gründen, wie der Bauherr verrät: "Unsere Kinder sind acht und 13 Jahre alt, da ist es besser, wenn man etwas Privatsphäre schafft. Zudem kann man die beiden Geschoße später abtrennen und zwei Wohneinheiten daraus machen."
Der Blick vom Wohnbereich aus ist so umfassend wie möglich gestaltet. Raumhohe Verglasungen befördern viel Tageslicht nach drinnen. Schiebetüren lassen sich südseitig zum Balkon öffnen und verbinden den Innenraum nahtlos mit dem Außenbereich. Durch die Z-förmige Anordnung von Küche, Wohn- und Essraum ergeben sich Vor- und Rücksprünge, die Sichtbeziehungen in alle Richtungen zulassen. Das weit auskragende Dach und der Fußboden nehmen die Holzverkleidung des Inneren wieder auf und bilden eine ästhetische Einheit. Für die Innenraumgestaltung wählte der Bauherr ebenfalls eine zurückhaltende Sprache: Wände, Decken und Fußböden in Eiche sorgen für einen Ton-in-Ton-Effekt. Sichtbeton, schwarzer Stahl und Glas setzen optische Akzente. In den Sanitärräumen wird der Belag mit weißem Terrazzo und Kalkglätte an den Wänden und in den Duschen (ein gespachtelter fugenloser Kalkbelag) fortgesetzt.
Transparent und gemütlich
Bei aller Offenheit war es der Familie auch wichtig, dass die Gemütlichkeit und Geborgenheit nicht zu kurz kommen. Dazu wählten die Bauherren helle, intransparente Vorhänge: Nachts verleihen sie den schwarzen Scheiben ein freundliches Gesicht und ein Lichtkanal, der am Boden entlang der Fenster verläuft, beleuchtet die Vorhänge. Die ursprüngliche Befürchtung, die Wohnung samt Ausblick in die Schweizer Berge zu vermissen, hat sich nicht bewahrheitet. Die zentrumsnahe Lage im Grünen hat viele Vorteile: "Man kann in fünf Minuten zu Fuß in die Stadt gehen oder mit dem Fahrrad an den See radeln. Zugleich lebt man wie auf dem Land. Im Sommer kommen die Kühe bis direkt an unser Haus. Dieses Zusammenspiel von Urbanität und Natur genießen wir sehr."
Helmut Dietrich und Much Untertrifaller gründeten 1994 ihr gemeinsames Büro mit Sitz in Bregenz. Heute beschäftigen sie rund 70 Mitarbeiter in Niederlassungen in Wien, Paris, München und St. Gallen. Ihre Schwerpunkte liegen auf dem privaten und öffentlichen Wohnbau, dem Entwurf von Schul- und Sportbauten sowie großer Veranstaltungszentren. Zu ihren aktuellen Projekten zählen unter anderem die Sanierung des Wiener Volkstheaters und der Bau des neuen Kongresshauses in Straßburg.