Tapeten und Farbe: Leben im Muster-Mix
Von Julia Beirer
Pinke Flamingos, schwarz-weiße Lemuren und flatternde Schmetterlinge blicken aus großen, intensivgrünen Blättern hervor. Was nach einer Fahrt durch den tiefsten Dschungel klingt, spielt sich derzeit in den Wohnzimmern ab. Aber nicht nur dort erobert die Natur ihr Territorium zurück. In den Küchen blühen große Rosen und kleine Vergissmeinnicht. In den Schlafzimmern bietet ein einsamer Wald Raum zur Entspannung und in den Vorzimmern laden flatternde Papageien Bewohner und Besucher gleichermaßen ein.
Woher der Dschungeltrend im Wohnraum kommt, weiß Walter Eybl, Inhaber von MT Tapeten: „Angefangen hat alles mit den Linwood Tapeten. Sie waren die ersten, die große Dschungelblätter verwendet haben.“ Er steht mitten in seinem Showroom im 4. Wiener Bezirk und zeigt auf eines der über 10.000 Tapetenmuster, die zu bestaunen und berühren sind. „Tapeten schaffen eine einzigartige Atmosphäre und kreieren ein ganz anderes Wohngefühl“, ist Eybl überzeugt.
Die Möglichkeiten sind endlos. Material, Muster und Farben gibt es in unzähligen Kombinationen. „Unsere exklusivsten Tapeten sind aus Seide, designt von Giorgio Armani“, erzählt Eybl während er die Mustermappe aus dem Regal zieht und aufschlägt. 90 kosten 225 Euro. Die interessanteste Kreation ist sie allerdings nicht.
Eine Tapete aus Stein zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Textildesigner Ulf Moritz hat Basalt auf tausend Grad erhitzt, auf Vlies geklebt und somit in eine Tapete verwandelt. Und auch die kreativen Köpfe von AV Secrets kreierten etwas Außergewöhnliches: eine gesandete Tapete. Dabei wird Meeressand verarbeitet und mediterranes Flair an die Wand tapeziert. Auch aus Kork und Leinen entstehen Tapeten. Mit Papier arbeite hingegen kaum noch jemand.
Zum Selbermachen
Die perfekte Basis für eine Tapetenwand bilden Rigipswände. „Tapeten brauchen einen saugenden Untergrund, in die sich der Kleister einarbeiten kann“, so Eybl. Einfärbige Tapeten können problemlos selbst angebracht werden. Schwieriger werde es bei Wandbildern. Dabei muss besonders an den Übergängen der Rollenenden exakt gearbeitet werden. Heutzutage werde man Tapeten auch viel leichter wieder los als früher. Hartnäckig festklebende Tapetenreste haften schon lange nicht mehr an den Wänden. „Die Tapeten können mittlerweile im Ganzen abgezogen werden“, erklärt er. Mut zur Farbe kann bei einem Missgeschick also schneller rückgängig gemacht werden.
Innenarchitektin Anke Stern empfiehlt, mit einer Wand zu beginnen und die Wunschtapete zuerst einmal wirken zu lassen. „Wenn sie nach einem Jahr immer noch gefällt, kann die Tapete in einem kleinen Raum wie dem Badezimmer oder WC an allen Wänden tapeziert werden“, sagt sie.
Tapetentrends sind laut Stern sehr gut von den britischen und amerikanischen Herstellern Cole and Son und Witch and Watchman abzulesen. „Es zeigt sich ein klarer Retrostil nach dem Motto, ich bin keine Steinwand, aber ich bin eine Steinwand“, erklärt sie. Der Dschungeltrend zeige sich sehr stark in Kombination mit einem Mustermix. „Affen auf gestreiften Wänden oder karierte Sofas vor gestreiftem Hintergrund zeigen eine Vielfalt an Mustern, die gut zusammenpassen“, sagt Stern weiter.
Dunkel und farbig
Ein anderer Trend, der sich abzeichnet, seien geometrische Formen und verspielte Details, wie die Papageien, die zwischen den großen Dschungelblättern herausblicken. Von einer Rückkehr der Tapeten kann laut Stern aber nicht die Rede sein. „Sie waren nie weg“, sagt sie amüsiert. Die Nachfrage sei in den vergangenen zehn Jahren aber massiv gestiegen. Der Wunsch nach Farbe ist im Wohnraum zwar immer gleich stark geblieben, die Wahl der Farbnuancen verändert sich aber laufend.
„Trendfarben sind noch immer Pastell und Nude, von Rosa bis Beige“, so Stern. Metallfarben seien ebenfalls sehr wichtig, allerdings werde Chrom und Edelstahl durch Messing und Kupfer abgelöst. „Der Trend geht in Richtung sehr farbig und sehr dunkel. Das trauen sich aber, gerade in Österreich, viele Menschen nicht“, erzählt Stern. Auf reine Grundfarben (Rot, Gelb, Grün, Blau) werde komplett verzichtet, diese seien schlicht zu laut. Das bestätigt auch Chris Anis von 100%FARBE. „Matte und stumpfe Töne sind derzeit sehr gefragt“, so Anis. Diese Farben seien unaufdringlich und schenken der Einrichtung sehr viel Aufmerksamkeit.
Wie aktuelle Farbtrends entstehen, kann Karl Albert Fischer vom Institut für Licht und Farbe zwar nicht erklären, dafür kennt er derenWirkung . „Über 100.000 Farbtöne werden in zwei Farbhauptgruppen unterteilt“, erklärt Fischer. Kalte Farben, wie Grün und Blau wirken ruhig, besänftigend, passiv und zurückhaltend. Warme Farben, wie Rot und Gelb hingegen geben erregende Impulse. Mithilfe eines Farbtest kann Fischer den Farbtyp seiner Kunden definieren. „Bei Langschläfern arbeite ich beispielsweise mit kleinen roten Details im Schlafzimmer. Sie regen an und erleichtern das Aufstehen“, erklärt Fischer. Plant er aber die Einrichtung eines Frühaufstehers, sei das nicht nötig. „Dafür setze ich feine blaue Akzente. Sie wirken beruhigend und konzentrationsfördernd“, erklärt der Farbexperte.
Wien in den schönsten Farben
Die Galerie So entwirft Farben mit nostalgischem Wert
„Wir hatten schon immer das Bedürfnis, eine eigene Farbkollektion zu entwerfen.
Wien war unsere Grundlage“, erzählt Andreas Raicher. Seit 2003 mischt er mit Sabine Honisch Farben, die ihre Heimatstadt widerspiegeln. Mittlerweile können Kunden zwischen 80 verschiedenen Wientönen auswählen, fünf Liter kosten 112 Euro, angefangen von Augarten-Blau über Volksgarten-Rosé bis hin zu Fiakerschwarz. Letztere zählt sogar zu den Favoriten von Farbmischer Raicher. „Es ist ein eleganter, samtiger, blauschwarzer Ton. Ich habe das ganze Schlafzimmer in Fiakerschwarz gestrichen“, sagt er.
Angefangen hat alles mit Otto Wagner. Das Grün, das der Architekt in den Stationen der heutigen U6 verwendete, haben die Farbspezialisten in kleinen Mengen abgetragen und im Helligkeitsgrad optimiert.„Der Lichteinfall ist für die Wirkung der Farbe wichtig, daher mussten die Farben angepasst werden“, so Raicher. Auch von der Wiener Staatsoper wurden Proben entnommen und der Samtton „Opernring“ kreiert. Aber auch Klischeefarben wie Wiener Busserl sind in der Palette enthalten. „Wir lassen uns von allem inspirieren, was mit der Stadt zu tun hat“, sagt der Designer. Durch die Farben erzählen sie Geschichten. So verleihen Raicher und Honisch dem Klischee vom grantigen Wiener ein kräftiges Rot und nennen es „Wiener Blut“. Aber auch dem schüchternen Wiener Mäderl, deren Wangen gerötet sind, widmen die beiden eine Geschichte und lassen sie in einer Farbe aufleben. Eine der beliebtesten Farben ist übrigens die Meierei. „Der zarte Beige-Grauton schafft eine weiche Atmosphäre und passt perfekt in jeden Wohnraum“, schließt Raicher.