Ausgefallene Fassaden gibt es heute nur noch bei öffentlichen Gebäuden? Von wegen. Sieben private Häuser, die sich durch ein attraktives Äußeres abheben.
Ein Königreich für die Putzfassade – diesen Schluss könnte man ziehen, blickt man sich in der heimischen Häuserlandschaft um. Denn das Mörtelgemisch klebt gefühlt an jeder zweiten Außenwand. Aber warum eigentlich? Metall, Stein, Stahl, Keramik, Glas, Holz, Beton, Kunststoff oder Faserzement – vielfältigste Stoffe könnten ein Haus kleiden. Woran es scheitert, weiß Architekt Gernot Hertl: "Es gibt viele Aspekte, die die Wahl der Fassade beeinflussen: Die Umgebung, das Budget und Faktoren wie Tradition und Regionalität sowie technische, bauphysikalische Eigenschaften. Je nach Standort und Lage stellt sich zudem die Frage, welche Funktionen die Fassade in punkto Licht- und Wetterschutz erfüllen soll. Warum es aber hierzulande so viele Putzfassaden gibt, liegt sicher am Preis." Architekt Dieter Gross aus Vorarlberg bestätigt das: "Der Hauptgrund sind die Kosten. Keiner verkleinert das Haus, man spart eher bei der Fassade. Das ist schade, ist aber so."
Zoran Bodrožić, ebenfalls Architekt, sieht das etwas differenzierter: "Die Kunst des Architekten ist es, das Beste aus einem Gesamtbudget herauszuholen. Wenn der Schwerpunkt auf der Fassade liegt, dann gelingt es auch mit kleinem Budget, eine anständige Verkleidung zu finden. Es ist eine Frage der Werte. Man muss Prioritäten setzen, braucht Mut und Vertrauen zum Architekten. Ein Bauprozess dauert und das Resultat ist oft erst am Ende sichtbar. Bis dahin muss man durchhalten."
Dass eine gute Lösung nicht immer teuer sein muss, zeigt Gernot Hertl im oberösterreichischen Kronstorf. Dort umspannte er einen ehemaligen Bauernhof mit hellgrauem Kunststoffgewebe. "Es war ein guter Weg, mit einfachsten Mitteln etwas Ausgefallenes zu gestalten. Einerseits ist der Preis vergleichbar mit dem eines Vollwärmeschutzes. Andererseits steckt in dem Haus – wie auch in einem Vorhang – viel Tradition. Das Besondere besteht nur in der äußeren Anwendung." Das Haus mit H-förmigem Grundriss wurde durch Entfernen des Mittelstücks in zwei längliche Einheiten geteilt, thermisch saniert und zu Wohnungen umgebaut. Ein Flachdach ersetzt heute das Satteldach, die Außenwände wurden warm eingepackt und mit schwarzer Folie abgedichtet.
Eine Vorhangfassade, eine nichttragende Außenwand, gibt dem Ganzen Gestalt: "Der Anspruch war, eine interessante Textur zu schaffen", erklärt Hertl. "Ich habe den architektonischen Begriff wörtlich genommen." Das Ergebnis ist ein in Falten gelegtes Kunststoffgewebe, ähnlich jener Banner, die man vom Tennisplatz kennt. Es umgibt das Haus und sorgt zugleich für Sonnenschutz: "Man kann den Vorhang ein- und aushängen oder zur Seite schieben. Er ist pflegeleicht, robust und erfordert keinen Strom für Jalousien", sagt Hertl.
Eine Fassade verleiht nicht nur nach außen hin Ausdruck. Sie nimmt auch Einfluss auf den Raumkomfort und das Wohlbefinden der Bewohner. Diese Anforderung erfüllt Hertl mit tiefen Laibungen der Fenster und einem zweiten, innenliegenden Vorhang: "Obwohl die Nachbarschaft sehr nahe steht, wird durch die vielen Schichten Distanz gewahrt und Privatheit aufgebaut."
Eine andere Herangehensweise verfolgte er am Attersee: Dort realisierte er ein Einfamilienhaus in Form von zwei übereinandergestapelten Balken. Horizontal geklebte Eternitplatten in unterschiedlichen Formaten und Graustufen zieren die vorgehängte hinterlüftete Fassade. Hertl: "Faserzement ist ein gutes, althergebrachtes Produkt das die Umwelt nicht belastet. Es kommt ohne Kunststoff aus und ist langfristig wertvoll." Die unterschiedlichen Farben sollen ein monotones Erscheinungsbild vermeiden und die Natürlichkeit des Rohstoffes unterstreichen: "Das mineralische, das dem Material inne liegt, soll zum Ausdruck kommen, die optische Musterung an eine Steinmauer erinnern."
Der gleiche Baustoff kann aber auch ein ganz anders Bild erzeugen – das zeigt ein Umbau in Linz von Destilat in Kooperation mit Architekt Wolfgang Wimmer. Ein Einfamilienhaus aus den 1960er–Jahren wurde zu drei Eigentumswohnungen umgebaut. Eingehüllt ist es mit einfärbigen, hellgrauen Eternitplatten. "Die Farbe verleiht dem großen Baukörper Leichtigkeit", sagt Henning Weimer von Destilat. Die Platten wurde einzeln auf die Unterkonstruktion genagelt, doch der Aufwand lohnte sich: "Die rhombenförmigen Schindeln erzeugen eine spannendere Optik als Platten im klassischen Format. Durch die rhythmische Anordnung entsteht ein homogenes Bild, das Haus wirkt wie eine Skulptur", sagt Weimer.
Der Kunstsammlung seiner Bauherrin einen passenden Rahmen zu verleihen – so lautete die Aufgabe von Zoran Bodrožić in Wien. Sein Entwurf ist außen wie innen schlicht gehalten: Sichtbeton an den Wänden, Estrich und Holzbelag. Augenmerk liegt auf der Cortenstahl-Fassade, die sich innen in Form einer Stiege fortsetzt. Bodrožić: "Cortenstahl kann mit einer normalen Unterkonstruktion für hinterlüftete Fassaden befestigt werden. Bei diesem Haus haben wir zwei Millimeter dünne, gekantete Bleche verwendet. Doch durch die Aufkantung wirken sie massiv und gehoben. Das Material hat enorme Präsenz, darin liegt das Spannungsfeld. Es ist natürlich, verändert sich mit der Zeit und ist pflegefrei."
Andere Metalle, wie etwa herkömmliches Stahlblech, müssen durch Verzinken oder Lackieren konserviert werden. Zinkblech, das Connie Herzog von Lostinarchitecture in Niederösterreich einsetzte, ist hingegen wartungsfrei und entwickelt Patina. Das Haus aus dem Jahr 1902 sollte thermisch saniert und räumlich erweitert werden. Nach der Devise "Alt soll alt bleiben" wurde das Untergeschoß wieder verputzt. Dem neuen Aufbau stülpte sie vertikal verlegten Zinkblechbahnen über. Die Hülle reicht an einer Seite bis zum Eingang, knickt an der Dachkante und führt bis zum Giebel hoch. Herzog: "Normalerweise sind die Bahnen 60 cm breit und regelmäßig verlegt. Wir haben unterschiedliche Breiten und ein unregelmäßiges Muster gewählt, weil das eine freiere Anordnung der Fenster ermöglichte und der Asymmetrie des Dachaufbaus besser entsprach."
Eine kombinierte Variante wählte auch Dieter Gross: Er kleidete sein Wohnhaus in Vorarlberg mit dunkelgrauen Naturschieferplatten und verputzte den Garagensockel. Die kleinformatigen Platten wurden verdeckt überlappend genagelt. Tiefere Bedeutung kommt der Farbwahl zu: "Das Haus steht am Pfänderhang vor einem Wald. Blickt man von unten hoch, würde eine helle Fassade aus dem Wald leuchten, eine dunkle verschwindet dagegen", sagt Gross.
Das Gegenteil bezweckte Architekt und Bauherr Paul Wichert in Linz. Sein Haus – ein massiver Betonkubus – hebt sich am Fuße des Pöstlingberges bewusst vom angrenzenden Waldstreifen ab. "Der Körper ist so stark, dass er selbstbewusst hervortreten kann. Deshalb haben wir uns für hellen Sichtbeton entschieden", sagt Wichert. Die tragende Außenwand ist in einer Stärke von 24 Zentimeter ausgeführt, die Holzmaserung der verwendeten Schalungsplatten zeichnet sich darauf ab. Das roh belassene, unverputzte Material überzeugt in weiterer Hinsicht: "Im Lauf der Jahre können sich Schlieren oder Vermoosungen bilden. Im Moment finde ich das charmant. Sollte sich das eines Tages ändern, dann kärchere ich es ab", sagt Wichert. "Beton verträgt das, eine Putzfassade nicht."