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Rückzugsort im Grünen

Neben den Pferden aus der Nachbarschaft kommt am Haus auch noch ein kleiner Bach vorbei. "Hier habe ich schon in meiner Kindheit gespielt", erzählt Robert Diem mit nostalgischem Unterton. Dass seine Kinder heute an derselben Stelle plantschen können, ist einem Zufall zu verdanken. "Mein Vater hat mich auf den Bauplatz aufmerksam gemacht. Bisher hatte noch nie jemand ein Auge darauf geworfen. Sogar ich hätte es übersehen", sagt Diem. Der Lebensmittelpunkt des Architekten liegt heute in Wien, wo er gemeinsam mit Erwin Stättner das Büro franz betreibt. "Um den Kopf freizukriegen" entstand der Wunsch nach einem Rückzugsort auf dem Land.

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Für immer an die Peripherie zu ziehen, stellte jedoch keine Option dar. So kam die Idee zum Wochenendhaus auf. Über den Standort in Zellerndorf, einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Retz und zugleich Heimatort des Bauherrn, war sich die Eheleute schnell einig. "Wir wollten nicht in eine Gegend, zu der wir keinen Bezug haben", schildert Diem. "Es war uns wichtig, in der Nähe von Verwandten und Freunden zu sein."Dass der Entwurf wie ein Ypsilon aussieht, geht auf die Form und Lage des Grundstücks zurück. "Der Bauplatz ist trapezförmig und wird von zwei Straßen flankiert", erklärt der Bauherr. "Zudem haben wir damit gehadert, dass die schönste Aussicht nach Norden geht. Wir haben lange über die Ausrichtung nachgedacht."
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Mit einem einfachen wie cleveren Grundriss konnte Diem die Situation lösen. "Wir haben das Haus in die Hauptbereiche Wohnen, Schlafen, Essen unterteilt", schildert er. Der flache Holzriegelbau erstreckt sich demnach in drei Richtungen. Jeder Arm beherbergt eine Funktion und verfügt über eine geschützte Loggia. "So konnten wir die Aussicht einfangen, ohne das Haus einseitig auszurichten. Darüber hinaus ergeben sich dadurch spannende Sichtbeziehungen im Inneren." Die größte Veranda grenzt an das Wohnzimmer und gibt den Blick im Norden auf die niederösterreichischen Weinberge frei. "Das hat sich trotz anfänglicher Zweifel bewährt. Im Sommer ist es sehr angenehm und nicht zu heiß." Schlaf- und Kinderzimmer sind unterdessen nach Osten gedreht und der Essbereich samt Entree erstreckt sich nach Südwesten.
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Wegen der tiefen, bis zu vier Meter breiten Loggien war es wichtig, Licht auch von oben ins Haus zu bringen. Diese Aufgabe erfüllen fünf Lichtkuppeln. Sie versorgen das Innere auch dann mit Helligkeit, wenn man die mehr als drei Meter hohen Verglasungen an den Stirnseiten verdunkeln möchte. Um die tiefstehende Westsonne im Winter einzufangen, versah der Architekt die Seite zum Wohnzimmer hin mit bodentiefen Einschnitten. "Fenster hätten nicht zum Konzept des Hauses gepasst", sagt Diem. "Die Lichtschnitze hingegen treten zwischen den Lärchenholzbrettern an der Fassade in den Hintergrund."
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Zurückhaltend ist auch die restliche Materialwahl: Der Bodenbelag besteht aus geschliffenem und hellgrau eingefärbtem Bitumen-Terrazzo, der sich fugenlos durch den gesamten Komplex erstreckt – von der Dusche bis auf die Veranda. "Durch die einheitliche Gestaltung gewinnt der Raum an Großzügigkeit", sagt Diem über seinen 125 großen Zweitwohnsitz.
Neben dem gegossenen Asphalt schmückt außerdem noch helles Ahornholz das Innere. Daraus wurde das Herzstück des Hauses getischlert: Ein fünfeckiger Kubus, der frei im Raum steht und viel Bewegungsspielraum zulässt. "Die Kinder lieben es, mit dem Roller rundherum zu fahren", sagt der Bauherr. Der Block beherbergt alles, was die Familie zum Wohnen benötigt: Auf der Seite der Schlafzimmer sind Badezimmer, WC und ein Abstellraum integriert. Zum Wohnzimmer hin ist ein Kamin eingebaut und zum Essraum ist die Küche ausgeschnitten.
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Auch nach oben besteht noch Luft. Diem: "Eine Leiter auf der Rückseite führt auf die Galerie hoch. Man kann dort sitzen und lesen und genießt einen herrlichen Blick auf das Geschehen im Haus. Den Kindern ist es eine zusätzliche Spielebene und für Gäste liegt jederzeit eine Matratze zum Übernachten bereit."Hier zurück zum Themenschwerpunkt

Nach dem Architekturstudium sammelten Robert Diem und Erwin Stättner erste Berufserfahrungen bei querkraft. 2009 gründeten sie ihr gemeinsames Büro franz und spezialisierten sich auf die Planung öffentlicher Gebäude. Zuletzt konnten sie den Wettbewerb zum Stationsbau der neuen U-Bahn Linie 5 für sich entscheiden.

www.franz-architekten.at