Ora Ïto: "Einfaches Design ist ehrlich"
Von Claudia Elmer
Ihre Karriere startete recht unkonventionell. Wie hat alles begonnen?
Ich habe fiktive Dinge für große Marken wie Apple oder Gucci entworfen und sie auf meiner Webseite veröffentlicht. Niemand wusste, ob sie real sind oder nicht. Vor 18 Jahren war ich der Erste, der das Internet auf diese Weise genutzt hat. Es war eine völlig neue Erfahrung, Antwort oder ein Jobangebot auf etwas zu bekommen, das nur online existiert. Aber so ist es passiert: Ich, der "Pirat", wurde von den großen Häusern zur Zusammenarbeit eingeladen.
Auf die gleiche Weise wie damals. Mir ist wichtig, dass die Firmen über ein großes Know-how und eine Geschichte verfügen. Zudem kommt es auf die Größe an: Je größer ein Unternehmen, desto mehr Geld geht in Forschung und umso größer die Innovationskraft. Sonst würden diese Unternehmen ihre Position, die Marktführerschaft, verlieren. Die Kooperation mit Artemide war deshalb eine sehr interessante Erfahrung.
Über das Internet haben Sie Ihr eigenes Label kreiert – wie wichtig ist die Marke?
Marken sind sehr wichtig. Ohne sie gäbe es kein Design. Sie sind Katalysatoren, fördern Produkte und machen Ideen greifbar.
Sie haben den Begriff "Simplexity" geprägt – was bedeutet das?
Ich finde "simpel" klingt zu einfach und "komplex" zu schwierig. Die Kombination beider Wörter soll die Absicht meiner Entwürfe verdeutlichen: Ein Produkt, das simpel aussieht und komplex ist. Und es soll zeigen, dass es manchmal sehr schwierig ist, etwas Einfaches zu entwerfen. Dazu muss man sein Handwerk perfekt beherrschen. Einfachheit bedeutet, auf den Punkt zu kommen ohne das Wesentliche zu verstecken. Einfaches Design ist ehrlich.
"Mobility" ist eine Produkt-Familie bestehend aus kabellosen Lautsprechern, Kopfhörern oder Etuis für Smartphones und Tablets. Normalerweise sehen diese Technik-Komponenten aus wie Küchen-Zubehör: Sie sind aus Plastik, unpersönlich und kalt. Und meist von fragwürdigem Design – auf jeden Fall nicht sehr elegant, obwohl man die Produkte in der Öffentlichkeit und zuhause verwendet. Ich dachte mir, die Stücke sollten zur Einrichtung, Kleidung und Persönlichkeit des Trägers passen. Mein Grundgedanke war, mehr Sinnlichkeit und Eleganz in die Welt der Elektronik zu bringen. Ich wollte die Produkte mit der Welt des Möbeldesigns und der Architektur verbinden und ein Material finden, mit dem man sich gerne umgibt.
Welche Materialien haben Sie gefunden?
Allen voran zeichnet die Kollektion hochwertige Stoffe der Firma Kvadrat aus. Ich wollte die Textilien in einem neuen Zusammenhang verwenden. Sie verleihen der Kollektion Originalität und Exklusivität: Nicht das Material ist neu, sondern die Anwendung.
Die Produktion war nach sechs Monaten fertig. Aber bis es so weit war, hat es lange gedauert. Ich habe all meine Kollektionen lange im Hinterkopf und zeichne, überdenke und experimentiere für viele Jahre. So reifen Ideen und entwickeln sich. Irgendwann erreicht man den Punkt an dem man spürt, wann es ein Entwurf verdient hat, zum Leben erweckt zu werden. Ist es so weit, sollte man seine Ideen vorantreiben und nicht länger mit sich herumtragen.
Wann haben Sie diesen Punkt erreicht?
Wenn der Entwurf alles erfüllt, an das ich glaube. Manchmal bin ich der Einzige, der dieser Meinung ist. Aber bei der Mobility-Kollektion hoffe ich, dass viele Menschen meine Sicht teilen und die Serie großen Erfolg hat.
Ito Morabito (Künstlername: Ora ïto) wurde 1977 in Marseille geboren. Vor 18 Jahren begann er, Produkte für Mode- und Lifestyle-Labels ungefragt zu designen. Diese Computerentwürfe veröffentlichte er auf seiner Webseite. Als das bekannt wurde, folgten zahlreiche reale Aufträge. Heute führt er ein eigenes Label und entwirft für große Marken wie Christofle, Zanotta oder Artemide.