Missoni: Design mit ehrlichen Werten
Von Ankica Nikolić
Meine Oma Ana war für mich eine Alltagsheldin. Sie hat in jeder Situation ihre Kinder und Enkel im Griff gehabt. Ich kann mich nicht daran erinnern, sie je traurig oder schlecht gelaunt erlebt zu haben. Und sie strahlte immer eine beruhigende Warmherzigkeit aus. Rosita Missoni hat es geschafft, binnen weniger Minuten, genau diese Gefühle bei mir wieder aufleben zu lassen. Nur mit dem Unterschied, dass sie, im Gegensatz zu meiner Oma, mit ihrem Mann Ottavio ein weltweit führendes Modeimperium aufgebaut hat.
Mittlerweile lässt sich die Designerin nicht mehr so leicht aus dem Konzept bringen. Wir treffen uns in aller Ruhe in einem ihrer Showrooms, in der Via Solferino in Mailand.
Familie – ein Schlagwort mit dem Missoni oft in Verbindung gebracht wird. Der Schlüssel Ihres Erfolges ist also Ihr inniges Familienverhältnis?
Mit Sicherheit. Ich bin stolz darauf, dass Ottavio und ich das Unternehmen gemeinsam aufgebaut haben und es viele Jahre geführt haben. Unsere Kinder sind mittlerweile ebenfalls in der Firma tätig. Sie sind eigentlich in unserer Fabrik groß geworden. Sie haben also den Missoni-Lifestyle von Kindheitstagen an mitgetragen und gelebt. Wir haben sie nie dazu gezwungen sich im Unternehmen zu engagieren, für uns ist es also ein fantastisches Zeichen, dass sie es von alleine wollten.
Unsere zwei Söhne arbeiten im Management, meine Tochter kümmert sich um den Modebereich und ich widme mich meiner großen Leidenschaft: dem Einrichten. Ich bin froh darüber, dass ich das Glück habe, eine so tolle Familie zu haben. Die Familie gibt mir unheimlich viel Halt und Zuversicht.
Neben der Mode ist also das Einrichten Ihre zweite große Leidenschaft?
Für mich hat das Zuhause einen ganz besonderen Stellenwert. Hier muss man sich wohlfühlen und gleichzeitig immer wieder innovativ sein. Bei der Mode ist es ein Leichtes mit der Zeit zu gehen, beim Wohnen ist das etwas schwieriger. Man kann etwa das Sofa nicht jede Saison wechseln. Man muss es schaffen, einzelnen Räumen immer wieder einen neuen Look zu verleihen. Das fängt mit kleinen Dingen wie Blumen, Kissen oder Plaids an und endet bei Gemälden, Vorhängen oder Teppichen. Das Innere eines Hauses muss ständig in Bewegung bleiben und gerade deshalb finde ich es spannend, für diesen Bereich viele Möglichkeiten gestalten zu können. Wir Italiener lieben unsere eigenen vier Wände und wir sind immer darum bemüht, dass sich Gäste oder die Familie immer wohlfühlen können. Wissen Sie, ich veranstalte gerne Feste in unserem Haus. Das erfüllt mich mit Freude, und wenn sich dann auch noch alle wohlfühlen, ist das für mich eine Zugabe. Es ist eine Herausforderung, solchen Ansprüchen gerecht werden.
Das Zickzack-Muster oder die auffälligen Blumenprints – Merkmale, die aus der Mode kommen, aber auch immer wieder in Ihrer Einrichtungslinie vorkommen. Ist die Natur eine immerwährende Inspirationsquelle für Sie?
Unsere Naturverbundenheit verdanken wir eigentlich auch unserem Unternehmens-Standort. Vor über fünfzig Jahren als mein Mann und ich die Firma gründen wollten sagte mein Mann: "Rosita, um unser Bestes geben zu können, müssen wir uns einen Standort suchen, an dem wir auch unsere Wochenenden verbringen würden. Wir müssen raus aus Mailand." Das haben wir dann auch gemacht und uns ein Grundstück mitten im Wald gekauft. Hier entstanden die Produktionshallen, das Firmengebäude und ein paar Hundert Meter weiter eben auch unser Privathaus. Es war uns wichtig, in einer schönen Umgebung zu wohnen und zu arbeiten. Wir wollten Sonnenaufgänge und -untergänge beobachten können. Zurückblickend hört sich das vielleicht etwas zu verträumt an, aber es war die wohl wichtigste Entscheidung für uns als Unternehmer und als Privatpersonen.
Einen Garten instandzuhalten ist auch immer mit sehr viel Arbeits- und Zeitaufwand verbunden. Wer besitzt denn in der Familie Missoni den grünen Daumen?
Definitiv mein Mann. Er kümmert sich um unsere Eichenbäume, die Rhododendren, die Rosen, die Tulpen – einfach um alles.
Er liebt die Arbeit in der Natur und ich liebe es wiederum, ihm dabei zu schauen zu können, wie akribisch er jede einzelne Pflanze pflegt und bearbeitet.
Die Kollektion in diesem Jahr besticht durch fantasievolle Blätterprints. Sie widmen sich also dem Wald?
Und schon wieder lieferte mir mein Garten die Idee. Die Kollektion heißt "Missoni loves leaves" (Missoni liebt Blätter) und wir haben das Thema Blätter tatsächlich hervorgehoben. Allen voran wollten wir dieses Mal die Herbst-Stimmung aufleben lassen. Wenn Sie an den letzten Oktober denken, an welche Farben erinnern Sie sich? Es sind bestimmt Aubergine, Violett, Grün, Rot, Orange, Beige, Braun – in sämtlichen Nuancen. Eine herrliche Vielfalt die uns die Natur zur Verfügung stellt.
Zum einen finden sich große Blätter-Muster in verschiedenen Farbschattierungen wieder. Im Kontrast dazu gibt es natürlich auch Stoffe mit dem typischen Missoni-Style mit intensiven, farbreichen Mustern. Jeder Ton wird von einem natürlichen, neutralen Beige begleitet. Geometrische Formen spielen diesesmal auch eine wichtige Rolle.
Viele Leuten bringen unsere Einrichtungslinie mit schicken Land- oder Ferienhäusern in Verbindung. Mit der neuen Kollektion wollen wir beweisen, dass unsere Entwürfe genauso in ein modernes Loft passen könnten. Die neuen Entwürfe sind modern, kosmopolitsch, farbintensiv und kraftvoll.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir nicht nur für meine Enkel eine Welt ohne Krieg, ohne Hass und Diskriminierung. Heutzutage haben viele Menschen Regeln und Werte vergessen. Alles wird nur noch noch für Geld gemacht, der respektvolle Umgang und die soziale Kompetenz bleiben dabei auf der Strecke. Das ist schade. Natürlich muss man Geld verdienen, um zu leben, aber nicht um jeden Preis. Leute kämpfen schon lange nicht mehr für ein besseres Leben, sondern viel mehr um des Geldes wegen und den damit verbundenen Status. Meiner Meinung nach sind das die falschen Ziele.
Natürlich war ich privilegiert und hatte das Glück, meiner Leidenschaft folgen zu können. Doch wir waren stolz auf unsere ehrliche Arbeit – diese entschlossene Überzeugung fehlt heute.
Ganz Italien ist im Ferienmonat August "Ferragosto" im Urlaub. Wo werden Sie heuer den Sommer verbringen?
Wir fahren jedes Jahr, oft mit unseren Kindern, an die kroatische Küste, da mein Mann in Dubrovnik geboren wurde. Heuer mussten wir die Pläne aufgrund der Olympischen Sommerspiele verschieben. Mein Mann will sich die Spiele Zuhause in aller Ruhe ansehen können. Ottavio war vor seiner Design-Karriere Leichtathlet und diese Leidenschaft lässt ihn bis heute nicht los. So wird heuer zuerst mitgefiebert und nachher entspannt.
Das Unternehmen
Gemeinsam mit seiner Frau Rosita gründete Ottavio ("Tai" ) Missoni im Jahr 1953 eine Textilfabrik. Berühmt wurde die Marke durch das Zickzack-Muster und die von kräftigen Farben geprägten Kreationen im Bereich der Strickmode.
1983 startete das italienische Unternehmen mit seiner ersten Einrichtungskollektion. Heute wird das Unternehmen von den Kindern Vittorio (Kreativ-Direktor), Luca (Männermode) und Angela (Damenmoden) geführt. Rosita Missoni kümmert sich nach wie vor um die Interieur-Linie der Firma.