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Küche als Lebensmittelpunkt

Ist die Küche noch der wichtigste Ort in einem Zuhause? Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten: "Menschen wollen heute im Alltag weniger aufwendig und vor allem schnell kochen. Das zeigt sich am hohen Absatz von Fertigprodukten", ist sich der Münchner Raumpsychologe Uwe Linke sicher. Thomas Faulmann, Küchenplaner in Wien, ist hingegen überzeugt: "Es besteht eine große Leidenschaft für die Küche. Damit geht auch eine große Lust am Kochen einher."

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Recht haben wohl beide. Wichtig in dem Zusammenhang ist allerdings, den Begriff "Kochen" genauer zu definieren. Diente der Vorgang früher zur Versorgung der Familie, damit alle satt werden, wird er heute zelebriert und inszeniert. "Die Leute laden öfter zu sich nach Hause ein und wollen so kochen wie die Profis", sagt Faulmann. TV-Shows haben diesen Trend befeuert, ist Linke überzeugt: "Kochen wird heute zum Event gemacht." Eine Küche bedienen zu können, gilt heute nicht mehr als Tugend, wie in den 1950er- und 60er-Jahren, sondern wird als Kunst gefeiert. Die fleißige, pflichtbewusste Frau, die den Braten pünktlich um 12 Uhr auftischt und die Küche um spätestens 14 Uhr wieder blitzblank aufgeräumt hat, ist heute vielfach nicht mehr als ein Ideal vergangener Tage. Das Gegenteil ist der Fall: Der Kochlöffel wird immer seltener selbst geschwungen. Dafür mit mehr Hingabe. Und häufiger als Gastgeber. "Wir sind gerne in Gesellschaft. Aber um zu beeindrucken, nicht um mitzuessen", resümiert der Psychologe.

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Scheinbar ein Paradoxon. Denn die Funktion der Küche hat sich als Treffpunkt der Familie und warmer Aufenthaltsort zum Essen nie verändert. Was vor Tausenden Jahren als Feuerstelle in der Höhle begann ist bis heute Sinnbild für die Familie: "Die Küche ist der Ort der sorgenden Mutter. Auch wenn die nicht im Haus ist, spielt diese Erinnerung eine große Rolle", sagt Linke. Die Küche ist aber weit mehr als nur ein Ort, an dem Speisen zubereitet werden: Sie ist Essplatz, Besprechungszimmer, Partyraum, Spiel- und Arbeitszimmer. Manchmal auch Prestigeobjekt, bei dem das Design im Vordergrund steht. Auf jeden Fall ein Ort, an dem der Nachschub selten ausgeht. Das ist auch ein Grund dafür, warum wir hier so gerne Zeit verbringen, sagt Linke: "Als Aufbewahrungsort für Nahrungsmittel und Getränke spricht uns die Küche als Befriedigung unseres Belohnungszentrums immer wieder an."

Was also ist notwendig, um eine gemütliche und praktische Küche einzurichten? "Erfahrungsgemäß ist große Perfektion eher hinderlich", ist sich der Psychologe sicher. Er hat selbst über 20 Jahre lang ein Einrichtungshaus betrieben und ist bis heute als Planer tätig. Gemütlichkeit definiert zwar jeder für sich anders. Damit der Raum zu einem beliebten Treffpunkt wird, reicht seiner Meinung nach auch eine reduzierte Ausstattung aus: "Ein Kühlschrank, eine Kaffeemaschine, Sitzmöglichkeiten und ein Tisch. Der Rest ist netter Luxus."

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Das schöne Porzellan auftischen, die liebste Tischdeko arrangieren und aufwendige, mehrgängige Menüs zubereiten – wer gerne und häufig Gäste empfängt, begeistert sich auch für eine höhere Ausstattung, wie der Küchenplaner bestätigt: "Es besteht eine große Affinität zu technischen Geräten, die modernes Zubereiten wie Dämpfen oder Vakuumgaren ermöglichen", sagt Faulmann. So halten immer mehr Maschinen Einzug, hinter nüchternen Fronten unsichtbar verbaut, die es früher nur in Profiküchen gab. Vorne mit dabei: Dampfgarer oder Dampfbackofen, Wärmeladen für Speisen und Teller oder integrierte Teppanyaki- und Lavastein-Grillplatten. "Man könnte meinen, eine gut ausgestattete Küche offenbart einen besonders leidenschaftlichen Koch", sagt Linke. "Aber das ist wie das Verhältnis zwischen Anzahl der Kochshows im Fernsehen und den Kochkünsten der jungen Erwachsenen." Dagegen können schlecht ausgestattete Küchen auch von einem kreativen Koch zeugen.

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Küche muss heute nicht nur den technologischen Aspekt abdecken. Sie muss auch den Wunsch nach immer dünneren Oberflächen erfüllen – wie das Angebot vieler Hersteller zeigt. Interessenten bietet sich eine große Auswahl an farbigem Glas, das sogar in den Korpus übergehen kann und somit einen Verzicht auf Spanplatten möglich macht. Die Oberfläche wird geätzt oder sandgestrahlt, sodass eine sinnliche, wohnliche Haptik und eine samtmatte Optik entstehen. Ebenso werden millimeterdünne Beton- und Steinoberflächen, weißer Quarz oder dunkler Granit, sowie farbige Metalle verwendet. Im Luxus-Segment stehen neben Edelstahl auch superrobuste Stoffe wie Keramik und Dekton zur Wahl, ein Hightech-Komposit in verschiedenen Tönen, das es zulässt, unsichtbar in die Arbeitsplatte integrierte Induktionsfelder zu verwenden. Oder besonders edle Hölzer wie Nuss und Mooreiche, die Hunderte Jahre unter Luftabschluss im Dreck lag und in einem langwierigem Verfahren recycelt wird. Das schlägt sich natürlich auf die Kosten nieder, die nach oben offen sind. Denn vom finanziellen Aufwand her könnte man ein mittelgroßes Wochenendhaus in die Küche investieren.

Die Wahl sollte aber auch unter dem Aspekt der Praxistauglichkeit stehen. Das beginnt bei der Auswahl leicht zu reinigender und robuster Oberflächen, wie Edelstahlplatten, Glas, kunststoffbeschichtete HLP-Platten, Natursteine oder Corian. Immer mehr Hersteller liebäugeln auch mit Fenix, einem nur 0,9 mm dünnem Nanotech-Material, das auf Fronten wie Arbeitsplatten aufgetragen werden kann. Das Aussehen ist dem von Mattlack verblüffend ähnlich, allerdings bleiben dank Anti-Fingerprint-Beschichtung keine Tapser darauf zurück.

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Wie praktisch eine Küche ist, hängt nicht nur von Größe und Schnitt des Raumes ab, sondern davon, wie man ihn nutzt. "Die Planung der Küche sollte idealerweise bei der Grundrissplanung des Raumes beginnen", sagt Harald Hatschenberger vom Architekturbüro destilat. "So lässt sich eine Gesamtlösung realisieren." Oft muss man mit einer kleinen Küche vorliebnehmen. Dann muss sich jedes Stück seinen Platz verdienen. Dinge, die nicht unbedingt benötigt werden, sollten hinterfragt werden. Sind Toaster und Mixer wirklich nötig? Oder reichen Pfanne und Schneebesen? "Ausmisten kann sehr befreiend wirken", rät Hatschenberger.

Unabhängig davon, ob der Grundriss ein- oder zweizeilig, U- oder L-förmig, mit Kochinsel oder Tresen ist: Die Anordnung der Elemente sollte immer einem Arbeitsdreieck folgen." Sie werden nach den Funktionen Kochen, Spülen und Kühlen angeordnet", erklärt der Innenarchitekt. Zum Traum vieler zählt die offene Wohnküche. In so einem gemeinsamen Wohn-Essbereich tobt das Leben, es finden die meisten Aktivitäten statt, vieles passiert gleichzeitig. Bereiche verschmelzen und der Raum wirkt großzügiger. Neu ist die Erfindung nicht: "Bis zu den Ritterburgen stellte die Küche die Wohnung dar. Erst der Adel hat kochen lassen und so kam die Idee auf, Küche und Esszimmer zu trennen. Das Bürgertum hat das übernommen, während auf dem Land an der offenen Küche festgehalten wurde", sagt Uwe Linke.

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Geeignet ist die Wohnküche für alle, die den kommunikativen Vorteil nutzen wollen: Man kann die Aktivitäten der Familienmitglieder miterleben, hören und sehen, was gebrutzelt, wo gespielt oder Gemüse geschnitten wird. Auch wenn das manchmal einen erhöhten Geräuschpegel mit sich bringt: Genau das macht dieses Konzept so attraktiv. Laut und leise ist schließlich das Leben – und die Küche kein Museum, sondern ein Lebensraum.