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Handverlesen: Häuser mit Klinkerfassade

So selbstverständlich Klinkerfassaden in Kopenhagen, London oder Amsterdam sind, hierzulande sind sie selten. In den letzten Jahren gibt es allerdings immer mehr Bauherren, die das dekorative Mauerwerk für sich entdecken.

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Etwa in der Vorarlberger Gemeinde Wolfurt, wo ein Kubus aus Stahlbeton mit Flachdach und einer Hülle aus roten Sichtziegeln entstanden ist. Straßenseitig blickt man lediglich auf ein Garagentor. Rückwärts bietet sich jedoch ein anderes Bild: Ein breites Fensterband windet sichum die Ecke des dreigeschoßigen Gebäudes und ein gewaltiger Pool springt aus der Fassade hervor. Wer hier schwimmt, genießt einen grandiosen Blick auf die Schweizer Alpen, das Rheintal und den Bodensee.

Haltbare Fassade

Welche Gründe zu der vorgehängten Klinkerfassade geführt haben, beschreibt Michael Heim von Heim + Müller Architekten so: „Es gibt nichts, das dagegenspricht – außer den Kosten. Wer auf eine langlebige, haltbare Fassade Wert legt und über ein gewisses Budget verfügt, ist damit am besten beraten.“

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Die Planer machten sich bei diesem Projekt die Symbolkraft des Klinkers zunutze. Michael Heim: „Er vermittelt Bodenständigkeit und Erdverbundenheit. Das erschien uns für das Gebäude, das in den Hang regelrecht hineingedrückt ist, als richtige Antwort.“
Zudem akzentuiert der Klinker die würfelige Form des Hauses: „Je geradliniger das Bauwerk, desto besser passt er“, erklärt der Planer. „In Verbindung mit modernen Elementen wie großen Fenstern ist Klinker in keiner Weise altmodisch. Man kann sich gut auf wenige Details reduzieren und trotz der Kleinteiligkeit und der modularen Bauweise ein homogenes Bild erzielen“, sagt Heim.
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Als geeignetes Material erwies sich der Klinker auch beim Wohnhaus „Mabi & Mibi“ in Wien, das der Linzer Architekt Klaus Leitner vor Kurzem realisiert hat. Es handelt sich um ein Doppelhaus, das aus Ziegeln gemauert und mit einer hinterlüfteten Fassade aus Klinker verkleidet ist.
Der Bau sollte wunschgemäß eine Referenz an die 1960er-Jahre darstellen und zugleich zeitgemäß wirken. Der Architekt verzichtete deshalb auf die Verblendung der statisch notwendigen Betonträger über den Glasflächen. Leitner: „Ich wollte sichtbar machen, dass der Klinker das Gewicht nicht tragen kann. Je nach Breite des Fensters ist der Stützträger höher oder niedriger.“
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„Mabi & Mibi“ ist auch ein Beispiel dafür, wie flexibel die Fabrikation heute ist: Während die Steine früher je nach Herkunft unterschiedliche Farben hatten, kann man diese heute individuell mischen. Der Architekt ließ Ziegel in einem zurückhaltenden Braunton anfertigen und stimmte die Betonträger und den Terrassenboden farblich darauf ab. „Dadurch verschmilzt das Haus mit der Natur und verwächst mit der Umgebung. Ein roter Ziegel würde mehr hervorstechen“, sagt Leitner.

Langfristig wartungsfrei

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Von der Langlebigkeit des Materials profitiert auch das Wohnhaus einer Familie, das Thomas Giner vom BüroGiner + Wucherin Schwaz in Tirol geplant hatte: „Eine vorgemauerte Klinkerfassade ist nachhaltig und braucht auf lange Sicht keine Renovierung. Die Dämmung liegt zwischen zwei Mauerschichten. Sie hat einen sehr hohen Wirkungsgrad und kann nicht kaputt werden.“ Der Klinker erfüllt außerdem einen hohen gestalterischen Anspruch – ein weiterer Grund, warum sich die Bauherren dafür entschieden hatten: „Sie wollten eine dunkle Fassade. Jedes andere Material würde sich in dieser exponierten Lage zu sehr aufheizen“, sagt Giner.

Ein Vollwärmeschutz ist zwar günstiger und kostet rund die Hälfte, aber der Klinker ist nachhaltiger und kann als Altziegel wiederverwendet werden. Ein Beispiel dafür liefert der Weinbauer Rudolf Rathbauer.

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Inspiriert von vielen Reisen durch Belgien, England und Holland hat er gemeinsam mit seiner Frau einen Heurigen im englischen Landhausstil gebaut. Die Fassade besteht ausschließlich aus Ziegeln die mindestens 50 bis 100 Jahre alt sind: „Wir haben drei Jahre lang Material auf Abbruchstellen gesammelt bis wir rund 110.000 Mauersteine beisammen hatten. Die Türumrandungen haben wir aus alten Stufenauftritten gestaltet“, erzählt Rathbauer.

In welchem Stil auch gebaut wird, die Stärke des Klinkers ist seine Witterungsbeständigkeit. Die Tonziegel werden unter hohen Temperaturen gebrannt, sodass sich die Poren schließen und kein Wasser mehr eindringen kann. Sie bieten deshalb langfristig Schutz vor Wind und Regen und sind so gut wie wartungsfrei. Der Einsatz verlangt zwar akribische Planung und hohes handwerkliches Können. Aber während eine Putzfassade alle zehn bis 15 Jahre neu gemalt werden muss, hält der Klinker 50 Jahre – und länger. Ein Vorteil, den man selbst bei Kostendruck im Auge behalten sollte.