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Günstig bis teuer: Wohnen in Niederösterreich

V ier Viertel (Wald-, Wein-, Most- und Industrieviertel), mehr als 20 Bezirke, 573 Gemeinden. Berge und Wälder, Flüsse und Seen, Klöster und Stifte, Schlösser und Burgen. Niederösterreich ist ein Land der Vielfalt und der Gegensätze. Und ein sehr heterogener Markt – zumindest im Immobilienbereich. Eine allgemeine Aussage über Preise, Angebot und Nachfrage im größten Bundesland ist nicht möglich. "Wir haben einerseits das Wiener Umfeld mit saftigen Preisen, die jetzt aber zum Teil auf hohem Niveau stagnieren. Es gibt eben Schmerzgrenzen bei der Finanzierbarkeit", sagt Paul Edlauer, Geschäftsführer der Realkanzlei Edlauer in St. Pölten und Vizepräsident des Immobilienring. "Andererseits gibt es das wirklich flache Land mit schlechter Infrastruktur und wenig Nahversorgung. Diese Gemeinden haben natürlich mit Abwanderung zu kämpfen. Aber hier setzt das Land immer wieder regionalpolitische Maßnahmen wie den Bau der Thermen in Laa und in Gmünd. Das kurbelt den Tourismus an, bringt Arbeitsplätze und Perspektiven für die Region."

Das Thema Infrastruktur wird immer wichtiger. Wo es eine gute öffentliche Anbindung, Schulen und Kindergärten gibt, ist die Nachfrage hoch. "In den Bezirkshauptstädten floriert der Immobilienmarkt. Das geht aber teilweise zulasten der kleinen Gemeinden rundherum", erklärt sREAL-Geschäftsführer Michael Pisecky. Er beobachtet eine Land-Stadt-Bewegung: "Viele ziehen in die Ballungsgebiete. Damit ist nicht immer Wien gemeint, sondern auch die Bezirkshauptstädte." Und natürlich die niederösterreichische Landeshauptstadt. Edlauer beobachtet in St. Pölten bereits seit zwei bis drei Jahren einen Preisanstieg: "Wir sind aber von einem sehr niedrigen Niveau ausgegangen, daher sind die Preise nicht überteuert. Eigentumswohnungen gibt es ab 1000 Euro pro Quadratmeter, für gehobene Objekte in Toplagen zahlt man bis zu 2300 Euro. Grundstücke in Randlagen gibt es ab 60 Euro pro Quadratmeter, in zentrumsnahen Lagen ab 150 Euro." Keine spürbare Veränderung habe es bei den Mieten gegeben, diese liegen zwischen fünf und 9,50 pro Quadratmeter: "Wir haben ein gleichbleibend gutes Angebot. Es wird immer wieder neu gebaut, der Altbestand wird saniert und aufgestockt."

Bald braucht man mit der Bahn nur noch 25 Minuten von Wien nach St. Pölten. Nur 15 Minuten fährt der Zug bis zum neuen Bahnhof Tullnerfeld. Am 9. Dezember wird die neue Hochleistungsstrecke WienSt. Pölten in Betrieb genommen. Dann wird auch die Zahl der täglichen Züge um ein Drittel auf 447 Züge pro Tag gesteigert. Eine Infrastrukturmaßnahme, die auch Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben wird. "Die Regionen Tulln und St. Pölten florieren bereits jetzt. Es gibt schon seit geraumer Zeit mehr Nachfrage als Angebot. Ich erwarte aber noch viel mehr Interesse, wenn die neue Strecke in Betrieb ist", sagt Pisecky. "Es ist den Leuten noch nicht bewusst, was für eine tolle Verbindung da entsteht. Nicht zuletzt durch die hohen Preise in Wien, wird es hier viel mehr Interessenten geben."

Städte florieren, Gemeinden verlieren

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Es sind Goldene Zeiten für Immobilienverkäufer. Wenn die Parameter stimmen. "Die drei L – gute Lage, kein Lärm, viel Licht – müssen passen. Wo es keine gute Verkehrsanbindung und keine Nahversorgung gibt, sind die Preise niedrig und die Objekte sehr schwer zu vermitteln. Nordhang mit hoher Lärmbelastung – das kauft keiner", weiß Christine Weber, Maklerin, Sachverständige und Chefin von Immobilien Weber in Klosterneuburg. Doch viele Verkäufer überschätzen den Marktwert ihrer Immobilie. "Es gibt einfach Grenzen für die Speckgürtel rund um die Städte. Ist eine bestimmte Grenze überschritten, fallen die Preise", beobachtet Peter Weinberger, Geschäftsführer der Raiffeisen Immobilien Vermittlung (RIV). "Im Speckgürtel rund um Wien darf die Fahrzeit nicht mehr als 20 bis 40 Minuten in die Innenstadt betragen. Rund um die Bezirkshauptstädte nimmt man nur zehn bis 15 Minuten bis ins jeweilige Stadtzentrum in Kauf." Weinberger ortet in Niederösterreich außerdem einen Trend zur Miete, zumindest in den größeren Städten: "Es wird zwar viel gekauft, aber das sind sehr oft Investoren. Die Anleger wohnen nicht in ihrer Immobilie, sondern wollen diese vermieten. Durch die vielen Käufe gibt es also gleichzeitig auch mehr Vermietungen."

Aus der erhöhten Nachfrage nach Wohnungen schließt Weinberger auch, dass die Ansiedlung der Wiener in Niederösterreich zurückgeht. "Großstädter, die aufs Land ziehen, suchen keine Wohnung, sondern ein Haus. Die Nachfrage der Wiener nach Wohnen im Grünen ist vorhanden, aber nicht mehr so stark wie früher." Die Preisentwicklung im Speckgürtel von Wien hat sich abgeschwächt, gefragt sind eher die Regionen im Norden der Stadt: "Im Süden geht die Nachfrage zurück, weil Mödling und Baden für viele einfach nicht mehr leistbar sind. Hier kostet allein das Grundstück 500 Euro pro Quadratmeter. In Bisamberg, das ähnlich nah bei Wien liegt, zahlt man nur 350 Euro pro Quadratmeter", sagt Weinberger. Auch die Gegend um Gerasdorf bei Wien ist gefragt. Die Nahversorgung ist in der Stadtgemeinde jedenfalls gesichert. Denn hier eröffnet am 18. Oktober das "G3 Shopping Resort Gerasdorf". Über 140 Geschäfte wird es in dem neuen Einkaufszentrum geben.

"Wer wirklich günstigen Wohnraum sucht, sollte sich auf dem Gebrauchtmarkt umsehen", rät Pisecky. "Entfernt man sich mehr als 50 Kilometer von Wien, gibt es bereits für 50.000 oder 60.000 Euro Häuser in durchaus gutem Zustand."