Friedrich Kiesler: Eine andere Galaxie
Von Mario Kopf
"Die Friedhöfe haben mehr Luft für die Gerippe der Toten, als unsere Städte für die Lungen der Lebenden." Mauern seien "Kasernierungen des Körpers und des Geistes", Häuser Särge aus Stein. Alles kein Zustand. Friedrich Kiesler schwebte anderes vor: Architektur, die sich mit der Frage beschäftigt, wie man "innerhalb dieser geraden oder krummen Wände" lebt. An dieser Idee arbeitete der 1890 in Czernowitz – einst Österreich-Ungarn, heute Ukraine – geborene Kiesler mit verschiedenen Entwürfen.
Ohne Mauern kommt auch das "endless house" aus, eine konsequente Weiterentwicklung seiner Gedanken. Das ebenfalls schwebende Objekt stellt eine höhlenartige Behausung ohne Wände, Ecken und Begrenzungen dar, die sich den Bewohnern anpasst. Es blieb allerdings bei dem Modell, ein für Kiesler typisches Schicksal. Bis auf "Shrine of the Book", einem zum israelischen Nationalmuseum zugehörigen Bauwerk, wurde kein Großprojekt realisiert.
In New York, wo Kiesler seit Mitte der 20er-Jahre bis zu seinem Tod 1965 gelebt hat, galt er alsbald als Pionier der Avantgarde. Dafür sorgten auch die von ihm gestalteten Ausstellungsräume für Peggy Guggenheims Galerie Art of This Century, eine spektakuläre, theatrale Inszenierung von Kunst. Die an gewölbten Holzwänden montierten Bilder ließen sich drehen, dazwischen standen seine modular nutzbaren Möbel. Verschiedene Lichterspots gingen an und aus, Zuggeräusche ertönten.
Zur Ausstellung
„Friedrich Kiesler. Lebenswelten“: Die Retrospektive zum Schaffen des österreichisch-amerikanischen Ausnahmekönners läuft bis 2. Oktober.
MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst, Stubenring 5, 1010 Wien. Tel. 01/711 36-0. Öffnungszeiten: Di. 10–22 Uhr, Mi.–So. 10 –18 Uhr.
www.mak.at