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Freibäder: Eintauchen & abtauchen

Pommes, Eis und Wasserrutschen: Österreich startet in die Freibad-Saison. Vielerorts erfrischt aber nicht nur das kühle Nass, sondern auch eine innovative architektonische Gestaltung.

In Pürgg etwa. Der kleine Ort im Ennstal liegt auf einer Seehöhe von 645 Metern – das Naturbad noch etwas höher. Das macht es besonders. Von oben genießt man Ausblicke auf den Grimming und die Ortschaft. Der Altbestand, der wegen des schlechten Zustands abgerissen werden musste, war hinter einer Hecke versteckt. Jetzt liegt das neue Gebäude frei und fügt sich dezent in die Landschaft, ohne wuchtig zu wirken. Durch den Umbau wurde es offener. Das trifft auch auf die Eingangssituation zu: Es gibt kein Drehkreuz und keine Schranken. Gäste können frei eintreten, bezahlt wird beim Bademeister.

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Drei Becken gibt es in Pürgg: Ein Planschbecken, ein Nichtschwimmer- und ein Sportbecken. Verbunden sind sie durch einen Holzsteg. Er führt die Besucher unmittelbar von der Straße kommend über die Umkleidekabinen, Sanitärbereiche und über die Aussichtsterrasse zu den Becken.

Der Übergang vom erhöhten Restaurant bis zum Tiefwasserbereich ist fließend. Das Bad wirkt wie aus einem Guss: Alle Wege laufen ins Gebäude. "Das einfache und reduzierte Design mit hoher architektonischer Qualität, das auf die wunderbare Landschaft Rücksicht nimmt" lautete das Urteil der Jury, die das Bad im vergangenen Jahr als einziges Österreichisches Projekt mit dem IOC/IAKS-Award – dem einzigen internationalen Architekturpreis für Sportstätten – ausgezeichnet hat.

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Im Restaurant finden Hochzeiten und Generalversammlungen, Taufen oder Konzerte statt. "Schön ist, dass wir es mit der Architektur geschafft haben, das gesellschaftliche Leben in das Bad zu integrieren", sagt Gerhard Kreiner. Der Planer von KREINERarchitektur hat nicht nur das Naturbad Pürgg aus dem Dornröschenschlaft geweckt, sondern auch in Gröbming ein Moorbad in ein Familienbad verwandelt, das zum Aushängeschild für moderne Freibad-Architektur wurde.

Trotz Renovierung in den 1970er-Jahren war die Anlage 2010 in einem schlechten Zustand. Außerdem gab es keine Kantine. Die Anlage verfügt nun über ein Restaurant und einen Wellnessbereich. Das Freibad ist nur im Sommer geöffnet, die Sauna samt Whirlpool kann auch im Winter genutzt werden. Sie liegt innen und hat einen geschützten Außenraum. Eine Verkleidung aus Holzlamellen schützt vor Einblicken.

Das Schwimmbad befindet sich in einer Hanglage, der sich das neue Gebäude anpassen sollte. Das flache Satteldach orientiert sich an der Landschaftsform und bildet mit dem gegenüberliegenden Hügel eine Arena. In der Mitte sind die Becken eingelassen. Auf dem Hang ist eine breite Rutsche verlegt und der drei Meter hohe Sprungturm wächst brückenartig aus der Landschaft.

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Im Westen des Landes, in Vorarlberg, ist eine Badeanlage im Bodensee entstanden. In Lochau haben Schwärzler + Lang Architekten ein Badehaus auf Betonpfeilern errichtet. Zwar gehört es zum Seehotel Kaiserstrand, kann aber von jedem besucht werden – solange Platz ist: "Das Badehaus ist zur touristischen Attraktion geworden und immer sehr gut besucht", sagt Karl Schwärzler. Warum sich das Badehaus großer Beliebtheit erfreut, erklärt der Architekt so: "Zum einen ist die Fassade besonders. Sie lässt sich verändern. Sobald die Läden offen sind weiß jeder, dass Betrieb herrscht und der Ansturm beginnt. Zum Zweiten sitzt man auf dem Sonnendeck wie auf einem Schiff umringt von Wasser und hat einen Blick nach Bregenz und in die Berge."

Die Fassade besteht aus zwei Teilen: Glasflächen im Inneren, davor "Fensterläden" aus Holzlamellen. Beide Elemente können geöffnet werden. Durch den Gang dazwischen kann man das Gebäude umrunden, muss es also nicht betreten. Erreicht wird das Badehaus über einen Steg. Er führt vom Ufer durch das Restaurant bis nach vorne zur Terrasse. Zum Sonnenbaden führt eine Treppe nach oben auf das Dach.

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Historischen Altbestand retten lautete die Aufgabe in Steyr. Die "Schwimmschule" gibt es seit 1874, beim Hochwasser 2001 wurde das Bad stark beschädigt. Seither renoviert das Architekturbüro Luger & Maul in Etappen, 2013 ist die Fertigstellung geplant. Eingang, Kassa, Umkleiden und Kabinen wurden zuerst neu gestaltet. 2008 kamen die Emporen hinzu, die als Sonnenterrassen dienen. Für alle Arbeiten wurde Lärchenholz verwendet. Das Massivgebäude, in dem der Bademeister wohnt, wurde trockengelegt und im Originalton gestrichen. Im letzten Schritt werden das Buffet und das große Becken saniert. Die Betonplatten darin werden durch eine Folie ersetzt. Befüllt wird es mit Brunnenwasser. Außer bei extremer Hitze ist es frei von chemischen Mitteln.

Ob Sanierung oder Neubau: Schwimmbadgestaltung heißt mehr, als ein Becken im Boden einzulassen. Die Anlage muss allen Besuchern gerecht werden: Teenagern, die am Beckenrand ihre erste Liebe entdecken oder Kindern, die ihre ersten Schwimmversuche machen.

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Interview: Gerhard Kreiner über die Herausforderung und den Reiz beim Bau einer Badeanlage

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IMMO: Welche Materialien werden heute verwendet und welche Vorzüge haben sie?

Kreiner: Bis in den letzten Jahrzehnten Waschbetonplatten überhand genommen haben, war Holz im Schwimmbadbau verbreitet. Darauf greift man heute wieder zurück. Der Vorteil ist: Es trocknet schnell, ist immer warm, wird aber nie zu heiß. Und es kann als Liegefläche verwendet werden.

Wie groß ist der Gestaltungsspielraum bei Wasserbecken?

Das Verhältnis der Bädertechnik zur Wasserfläche muss stimmen. Seicht-, Schwimm-, und Sprungbereiche müssen optimal abgestimmt sein. Ist das Areal zu weitläufig und schlecht organisiert, braucht man mehr Wasser und Technik. Außerdem wird heute die Wasserfläche inszeniert: Früher war sie fünf Zentimeter unter dem Beckenrand, heute springt das Becken zirka fünf Zentimeter über den Umlauf. Man erhält eine Wasserkante, die eben mit der Landschaft ist.

Teenager, Mütter oder Senioren: Ein Freibad wird von vielen besucht. Wie berücksichtigt man einzelne Bedürfnisse?

Man muss sich gut überlegen welche Bereiche für wen definiert werden. Gastronomie funktioniert etwa gut neben dem Kinderbereich, damit Mütter Kaffee trinken können und die Kleinen im Blick haben. Rutschen oder Sprungtürme muss man so platzieren, dass keine Gefahren für andere besteht. Liegeflächen im Schatten werden eher von der älteren Generation genutzt, die Ruhe haben möchten. Für Jugendliche braucht es ebenfalls Rückzugsbereiche – sie liegen ungern neben dem Planschbecken.

Sie haben bereits fünf Bäder gestaltet. Was ist reizvoll an dieser Aufgabe?

Sie ist komplex und die Anforderungsprofile sind vielfältig. Man braucht viel Zeit für die Erarbeitung eines Entwurfs, der in Kooperation mit den Bürgern und der Gemeinde entsteht. Das schafft eine hohe Akzeptanz und macht den Spaß an der Sache aus.