Flughäfen: Architektur zum Abheben
Von Mario Kopf
Teil 2:
Aeroport de Lleida-Alguaire
Lleida (Spanien) von b720 Fermín Vázquez Arquitectos
Eine steile Rampe in der katalanischen Pampa: Wo wenige einen Flughafen vermuten, entstand dieses infrastrukturelle Kunstwerk. In der Mitte befindet sich der 41 Meter hohe Kontrollturm, auf beiden Seiten fallen Kurven ab und bilden abschließend das Dach des Gebäudes. Ausgestattet mit Metallschildern in Oliv-, Grün-, Braun- und Gelbtönen nimmt die Farbwahl auf die landwirtschaftlich geprägte Umgebung Bezug und schafft es, den 2010 in Betrieb genommenen Terminal nicht als Fremdkörper wirken zu lassen. Den Rahmen bildet eine verrostete Stahloberfläche, in die der Namen des Airports perforiert wurde.
Mit der Haupthülle, die wie eine kontinuierliche Decke angelegt ist, gelang den spanischen Architekten eine einheitliche und formal beeindruckende Lösung, die sich von den oftmals willkürlich aneinandergereihten Terminals abhebt. Einziges Manko: Bei weniger als 40.000 Passagieren jährlich kommen nicht viele in den Genuss, sich davon persönlich zu überzeugen. www.b720.com
Queen Alia International Airport
Amman (Jordanien) von Foster + Partners
Als den „Ur-Flughafen“ bezeichnen Stefan Eiselin, Laura Frommberg und Alexander Gutzmer London Stansted in ihrem Band Faszination Flughafen: „Mit Stansted verlagerte sich sich der Fokus der Architektur auf den Passagierkomfort.“ Für die Gestaltung zeichnete Norman Foster verantwortlich, seither hat sein Büro zahlreiche weitere Airports von Peking bis Kuwait entwickelt. Dass es sich dabei nicht um Blaupausen handelt, die eins zu eins global umgesetzt werden, unterstreicht der 2013 finalisierte Flughafen in Jordanien. Die mosaikartig angeordneten Betonkuppeldächer mit dunklen, dünnen Metallplatten erinnern an Beduinenzelte.
Der lokal hergestellte Baustoff wurde flächendeckend verwendet, um für konstante Innentemperaturen zu sorgen. Regional übliche Details wie Innenhöfe oder ausreichenden Platz für die zahlreich erscheinenden Familienmitglieder beweisen die Aktualität von Fosters Anspruch. Etwas makaber scheint jedoch die Auswahl der Namenspatronin: Königin Alia ist bei einem Hubschrauberabsturz gestorben. www.fosterandpartners.com
Wellington International Airport
Wellington (Neuseeland) von Pacific Studio Architects, Warren and Mahoney
Eine unvergessliche Erinnerung für Passagiere: Das sollte die Neugestaltung hervorrufen. Und zwar in Form eines unverwechselbaren Designs, das einen Bezug zur Gegend aufweist. Die Umsetzung gelang zwei ortskundigen Büros, der Arbeitstitel dazu: „The Rock“. Die zackige Kontur des Gebäudes
verweist auf jene gefährlichen Gesteine, für die die Küste Wellingtons einst gefürchtet war und deren Entstehung in einer populären Sage thematisiert wird. In diesem Fall war es kein Seeungeheuer, sondern Kupferplatten, die dem „Felsen“ seine Form verleihen.
Während die schroffen Konturen eine Ansage gegenüber den glatten Stahl- und Glasbauten der Konkurrenz sind, setzt die Innenausstattung auf warme Töne, etwa auf honigfarbenes Holz der Monterey-Zypresse, und geschickt arrangierte Oberlichter, die für Helligkeit sorgen. Das Design fördert nicht nur Pausen und ruhige Momente, sondern schont durch viele Maßnahmen, etwa dem weitgehenden Verzicht auf Rolltreppen, die Umwelt. Eine inspirierende Konstruktion.
www.studiopacific.co.nz, www.warrenandmahoney.com
Pulkovo Airport
St. Petersburg (Russland) von Grimshaw, Ramboll, Pascal+Watson
Der Himmel spielt beim Fliegen keine unwesentliche Rolle. Naheliegend also, dass Baukünstler das Plafond zur Spielwiese auserkoren haben: Deckenkonstruktionen wie jene in Madrid-Barajas sind nicht selten architektonische Aushängeschilder. Ebenso unverwechselbar zeigt sich der 2013 fertig gestellte Terminal in St. Petersburg, für den sich drei Büros von der russischen Stadt inspirieren ließen.
Anknüpfungspunkte lieferten Zwiebeldächer oder breite Boulevards ebenso wie die winkelförmige Geometrie der Sowjetsterne. Die gigantischen, gefalteten Metallplatten sollen dem Ankommenden bewusst machen, in welcher Metropole er sich gerade befindet. Immerhin sei ein Flughafen der erste und letzte öffentliche Raum, den man bei einer Reise zu sehen bekomme, sagt Mark Middleton, Partner von Grimshaw. Eine Visitenkarte, die leider nicht immer so viel Eindruck hinterlässt wie hier.
www.grimshaw-architects.com, www.ramboll.com, www.pascalls.co.uk
Klassiker, Skurrilitäten und Visionäres: Stefan Eiselin, Laura Frommberg und Alexander Gutzmer stellen in „Faszination Flughafen“ einige der hier gezeigten sowie weitere sehenswerte, umfassend bebilderte und beschriebene Schauplätze vor. Callwey, € 41,10