Die besten Holzbauten Vorarlbergs
Von Claudia Elmer
Von Tirol bis ins Burgenland ist die Beton- und Ziegellobby stark. In Vorarlberg hingegen hat der Holzbau eine lange Tradition. Mit großem Selbstverständnis wird das natürliche Material konsequent eingesetzt. Das Ergebnis sind keine verschnörkelten Holzhütten, sondern zeitgemäße Schulen und Sporthallen, Einfamilien- und Hochhäuser.
Von der Bedeutung dieser Herangehensweise zeugt auch der Vorarlberger Holzbaupreis. Er wird alle zwei Jahre vom Verein „vorarlberger holzbau_kunst“ vergeben. Gebäude aus unterschiedlichen Kategorien werden nominiert, von einer Jury beurteilt und prämiert. „Die Dichte an qualitativ hochwertigen Holzbauten ist in Vorarlberg sehr groß. Das ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Helmut Reitter, Mitglied der Jury. IMMO hat sich einige der Preisträger näher angesehen.
Der Architekt Bernardo Bader hat 60 Bäume in ein zeitgemäßes Zuhause für sich und seine Familie verwandelt. Der lang gezogene Bau steht am Rande eines Moores in Krumbach, einer kleinen Gemeinde im Bregenzerwald.
Die Fichten und Tannen wurden im eigenen Wald ausgesucht, geschlägert, gesägt und verbaut. „Das Holz wurde restlos eingesetzt: Für die Außenwände und einen Großteil der Innenwände, das Dach und die Decke. Böden, Wände und die Verkleidung im Dachraum sind etwa aus Weißtanne“, sagt Philipp Bechter vom Architekturbüro Bader. Die Fassade und die Fenstereinfassungen bestehen aus Lärchenholz. Der Gebäudekern ist in Stahlbeton ausgeführt. Ziel dieser Maßnahme war, Masse in das Gebäude zu bringen. Wie Bechter erklärt, heizen sich Holzbauten zwar schnell auf, kühlen aber ebenso rasch wieder ab: „Mit der Betonmasse im Innenraum deckt man diese Spitzen ab.“ Die Lage am Moor brachte einen weiteren Vorteil: Beim Ausheben des Kellers wurde brauchbarer Lehm gefunden. Getrocknet und zu flachen Ziegeln verarbeitet dient er im gesamten Haus als Fußbodenunterkonstruktion, in dessen Rillen die Fußbodenheizungsrohre verlegt wurden.Das Büro von Bernardo Bader errichtete ein weiteres prämiertes Gebäude, bei dem Holz kompromisslos eingesetzt wurde: Die neue Volksschule und den Gemeindesaal in Laterns. Die schlicht anmutenden Giebelhäuser sind im rechten Winkel angeordnet. Außen sind sie auf das Notwendigste reduziert und mit einfachen, quadratischen Fenstern ausgestattet. Die Besonderheit liegt in der Materialwahl im Inneren: „Boden, Wand und Decke sind in sägerauer Weißtanne ausgeführt. Die Haptik ist wahnsinnig toll und atmosphärisch unschlagbar. Es gibt Bauwerke, aus denen möchte man nicht mehr herausgehen, weil sie so angenehm sind – die Volksschule in Laterns zählt dazu. Man möchte sich direkt auf den Boden setzen. Ein PVC-Belag, wie er in Bildungseinrichtungen öfters üblich ist, kann da nicht mithalten“, sagt Jury-Mitglied Helmut Reitter.
Er sieht in diesem Projekt auch die wesentliche Besonderheit des Vorarlberger Holzbaus verankert: „Er geht nicht um architektonische Sensationen, wie man sie aus Hochglanzzeitungen kennt. Sondern um das Selbstverständnis, wie etwa eine Dorfschule auszusehen hat“, sagt Reitter.
In der Kategorie „Holzmischbauweise“ erhielt der LifeCycle Tower One in Dornbirn eine Auszeichnung. Für das Hochhaus wurde ein Bausystem entwickelt, das erstmals ermöglicht, vielstöckige Gebäude aus Holz zu errichten und das multipliziert werden kann.
Bisher war es nicht erlaubt, in gewisse Höhen mit brennbarem Material zu bauen. Sichtbar belassenes Holz musste etwa mit Gipskarton verkleidet werden.
Das neue Bausystem ist eine Hybridkonstruktion, bei der Holz-Beton-Verbundrippendecken zum Einsatz kommen. „Wir mussten nachweisen, dass die Konstruktion nach 90 Minuten Brand tragfähig ist. Das verwendete Fichtenholz ist überdimensioniert, um die Abbrandgeschwindigkeit einzuhalten. Das Haus kommt zur Gänze ohne Sprenkleranlage aus“, sagt der ausführende Architekt Hermann Kaufmann. „Der Vorteil ist, dass man jetzt die Qualitäten des Materials zeigen kann.“
Der Stiegenhauskern des Hochhauses wurde in Beton ausgeführt. Darauf wurde in nur acht Tagen die komplette Holzkonstruktion samt Fassade aufgebaut. „Holz erlaubt einen hohen Vorfertigungsgrad: Decke und Wände wurden als Elemente mit eingebauten Fenstern geliefert“, erklärt Kaufmann.
Innen ist die Fichte sichtbar, außen wurde das Haus mit Recycel-Aluminium verkleidet. „Wir wollten uns dem Standort, einer Industriegegend, anpassen und zeigen, dass ein solcher Bau auch in der Stadt möglich ist. Es muss ja nicht unbedingt aussehen wie ein Holzhaus“, sagt der Planer.
Mit der Entwicklung des neuen Systems verfolgt Kaufmann noch ein anderes Ziel: „In den letzten Jahrzehnten fand eine Energiewende statt. Jetzt muss eine Ressourcenwende folgen. Es ist notwendig, heimisches Material nicht nur zu exportieren und zu verbrennen, sondern es stofflich zu verwerten. Wir müssen das gebundene CO2 aus unseren Wäldern in die Städte und Dörfer bringen. Dann tun wir unserer Umwelt Gutes.“
Vorarlberg nimmt eine Vorreiterrolle im Holzbau ein. Warum hinken dem andere Bundesländer hinterher?
Stimmt. In Vorarlberg ist die Dichte und das Niveau des Holzbaus sehr hoch. In den Bundesländern gibt es andere starke Lobbys, dadurch sind Ziegel und Beton besser etabliert. Zudem verlangt der Holzbau sehr viel Detailwissen, Überlegung und Planungsaufwand. Und die gesetzlichen Bestimmungen – von denen wir in Österreich eine ‚wunderbare‘ Vielfalt haben – sind eine Bremse. Eine Vereinheitlichung der Produkte wäre wünschenswert. Aus ökologischer Sicht ist die Entwicklung aber nicht aufzuhalten. Holz wächst nach, ist recycelbar, CO2-neutral und haptisch wie olfaktorisch ein wunderbarer Baustoff.
Welche Grenzen sind dem Baustoff Holz gesetzt?
Wenn man bedenkt, dass bereits Schiffe und Flugzeuge aus Holz gebaut wurden, geht es eigentlich nur darum nachzudenken und das Richtige zu tun. Ich bin zwar nicht der Meinung, aus Holz alles machen zu müssen. Vom architektonischen Standpunkt und der konstruktiven Eleganz gibt es durchaus Grenzen. Aber für Hallenbauten mit großen Spannbreiten, im Wohnbau, bei kommunalen Bauten oder Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern eignet sich das Material hervorragend.
Was hat Sie bei den Einreichungen in diesem Jahr überrascht?
Mich hat beeindruckt, dass man Bekanntes und Vertrautes im Vorarlberger Bauen mit so viel architektonischer Komplexität und Individualität umsetzen kann, obwohl man die Typologien, also die Holzkiste und das Bregenzerwälderhaus mit Satteldach, schon tausend Mal gesehen hat.